Terminal 3 - Folge 5: Die Methode Bronsky. Thriller (German Edition)
grellweißes Adergeflecht zuckt über den dunklen Horizont.
Ich verharre einen Moment neben meinem Wagen, um mir das Naturschauspiel anzusehen. Dumpfes Grollen nähert sich der Küste. Bedrohlich und faszinierend zugleich. Danach folgt eine so allumfassende Stille, wie ich sie schon lange nicht mehr in dieser Gegend erlebt habe. Mit einem Mal wird mir klar, was heute anders ist als sonst: Mrs Cormacs gigantischer Fernseher ist nicht eingeschaltet. Gewöhnlich dringt um diese Uhrzeit sein Flackern durch ihr Wohnzimmerfenster und taucht den Vorgarten in bunte Farben. Dazu kann ich dann deutlich die Dialoge der Schauspieler aus den Lieblingsserien meiner Nachbarin verstehen. Meistens Desperate Housewives oder Sex in the city . Heute starre ich auf heruntergelassene Rollläden.
Die Fische fallen mir plötzlich ein. Sie müssen noch gefüttert werden. Ich beschließe mir jedoch zunächst etwas Bequemeres anzuziehen. Ein kaltes Bier wäre auch nicht übel.
Eine Limousine fährt langsam auf der Straße vorbei. Das Motorengeräusch geht in einem erneuten Donnergrollen unter.
Eine Viertelstunde später wird mir beim Aufschließen der Tür bewusst, dass ich Mrs Cormacs Haus noch nie betreten habe. Obwohl wir schon seit Jahren nebeneinander wohnen. Ich taste nach dem Lichtschalter. Der Flur ist äußerst spartanisch eingerichtet. Eine schlichte Garderobe mit Spiegel. Das ist auch schon alles. Das Mobiliar des Wohnzimmers gestaltet sich ähnlich übersichtlich. Ein plüschiges Sofa, ein niedriger Tisch und natürlich der riesige Fernseher. Ich schätze die Ausmaße des Monitors auf annähernd sechzig Zoll.
An einer Wand stehen drei ebenso üppige Aquarien mit filigranen, in Neonlicht getauchten Unterwasserlandschaften. Exotische Fische schwimmen zwischen Korallen, Miniaturfelsen und sogar dem Modell eines gesunkenen Raddampfers umher. Alles macht einen perfekt gepflegten Eindruck. Auf dem Tisch stehen drei durchnummerierte Behälter. Der Notizzettel meiner Nachbarin ordnet sie den Aquarien zu. Das Fischfutter besteht aus muffig riechenden Bröckchen. Ich kann zwischen den drei Sorten keinen Unterschied feststellen, aber die Fische zeigen sich begeistert, als ich das Zeug, genau nach Angabe dosiert, ins Wasser schütte.
Das war ja mal ein leichter Job.
Ich kehre in mein Haus zurück, überlege, ob ich mir noch ein zweites Bier gönnen sollte und stelle eine Veränderung fest. Ein Geruch. Kaum wahrnehmbar, aber dennoch unangenehm. Er erinnert mich an Knoblauch. Ich verabscheue dieses Zeug. Ich rieche an meinen Händen. Vielleicht stammt der Geruch von Mrs Cormacs Fischfutter.
Aus der Nähe dringt ein leises Knarren. Ich kann den Ursprungsort sofort bestimmen. Es sind die Dielenbretter in meinem Schlafzimmer. Genau dieses Geräusch geben einige von ihnen von sich, wenn man sie mit dem Gewicht eines Menschen belastet.
Jemand ist hier. Er verharrt in meinem Schlafzimmer und stinkt nach Knoblauch. Er bewegt sich nicht mehr, denn sonst würden die Bretter bei jedem seiner noch so vorsichtigen Schritte erneut knirschen und knarren. Die Handwerker haben damals nicht ganz korrekt gearbeitet.
Ich analysiere die Situation in Sekundenschnelle. Das Schlafzimmer befindet sich am Ende des Flurs. Meine Dienstwaffe ist im Wohnzimmer. Fünf Schritte zu meiner Linken. Dort liegt sie in der verschlossenen Schublade des Schreibtischs. Der Schlüssel zur Schublade steckt im Regal zwischen zwei Büchern des FBI-Profilers John Douglas.
Wenn der Eindringling bewaffnet ist, erwischt er mich auf dem Weg zum Bücherregal. Das Vernünftigste wäre ein sofortiger Rückzug durch die Haustür ins Freie, um von einem meiner Nachbarn aus die Polizei zu verständigen. Denn dummerweise liegt auch mein Handy im Wohnzimmer.
Ich habe die Hand bereits auf dem Türknauf, als sich die Lage mit einem Mal von selbst zu klären scheint. Im Schlafzimmer wird das Fenster geöffnet. Das funktioniert nur mit Nachdruck, denn auch da wurde beim Einbau geschludert.
Der Typ hüpft nach draußen und will abhauen. Also ist er vermutlich nur ein unbewaffneter Einbrecher, der lieber das Weite anstelle einer Konfrontation sucht.
Ich renne nach draußen, in der Hoffnung einen Blick auf den Flüchtenden werfen zu können. Tatsächlich kann ich sehen, wie eine Gestalt die Straße entlangläuft. Der Kerl ist clever genug, um sich aus dem Lichtschein der wenigen Laternen zu halten. Für mich bleibt nur festzustellen, dass er nicht besonders groß ist, verdammt schnell laufen
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