Terminal 3 - Folge 5: Die Methode Bronsky. Thriller (German Edition)
nur, wenn ich eine der Telefonnummern wähle. Was soll schon passieren?
Ich tippe die Zahlen in die Tastatur meines Telefons. Nach nur einer Sekunde nimmt jemand ab. Eine Frauenstimme fragt: »Ihr Name?«
Ich bin erschrocken und lege auf. So meldet sich nur jemand, der etwas zu verbergen hat.
Ich probiere es bei der zweiten Nummer. Eine Mädchenstimme kichert. Hell und klar. Und sehr jung. Sie nennt mich Onkel und bittet mich in einem immer lasziver werdenden Tonfall um eine Telefonnummer, damit sie zurückrufen kann. Sie sei schon ganz wild.
Es folgt ein Piepton. Es ist eine Aufzeichnung. Ich soll nun sprechen und lege den Hörer auf.
Hier sind möglicherweise nicht nur Drogen im Spiel, es geht auch um Prostitution. Mit einem Mädchen, das klang, als wäre sie in einem Alter, wo sie eigentlich Ponys und gut gefönte Boygroups toll finden müsste.
Es fällt mir schwer, diese Dinge mit Sharon in Verbindung zu bringen. Eigentlich müsste ich sie verachten und die Polizei informieren. Aber vielleicht gibt es noch eine andere Erklärung. Vielleicht weiß sie gar nicht genau, was sie da verteilt.
Ich klammere mich an diese Möglichkeit. Was – verflucht noch mal! – soll ich jetzt unternehmen? Wo sie doch Gefühle in mir geweckt hat, die ich als ausgestorben abgehakt hatte.
Ich muss mit ihr reden! Gleich morgen auf sicherem Terrain. Im Terminal.
Lennard Fanlay
Noch eine Stunde Spätschicht. Marc Irving sitzt vor den Monitoren. Ich gieße mir einen Kaffee ein und kann sehen, dass im Terminal fast nichts mehr los ist. Die meisten der Läden haben geschlossen. Die letzte Maschine hebt gleich ab und fliegt nach Berlin.
Ich habe Brian Haynes auf einen letzten Rundgang geschickt. Das wäre um diese Uhrzeit nicht unbedingt nötig gewesen, aber Brian drückt sich ohnehin den ganzen Tag vor der Arbeit. Er ist nach wie vor mein unzuverlässigster Mann.
Paul Medeski hat unseren Überwachungsraum mit einem Geschenk von Sharon Jacinto bestückt. Die Figur von Bill Clinton bewacht jetzt die Kaffeemaschine. Rachel hat sich fast totgelacht und behauptet, die hätten den Kerl richtig gut hinbekommen. Da wäre sogar etwas Lüsternheit in seinen aufgemalten Augen. Ich kann die beim besten Willen nicht erkennen. Außerdem habe ich den Mann damals gewählt.
Ich nippe an dem Kaffee, dessen Aroma je nach Tagesform der Kaffeemaschine zwischen kaum erträglich bis ekelhaft schwankt. Alle meckern darüber, bis auf Rachel, die aber auch so viel Süßstoff hineinschüttet, dass die Brühe wie verflüssigte Marshmallows schmecken muss.
Vielleicht sollte ich uns allen eine neue Maschine spendieren.
Inspector Bailey hat mich vor ein paar Stunden über den Stand der Ermittlungen informiert. Er war ziemlich zerknirscht, weil man in der Sache nicht weitergekommen ist. Er rät mir dazu, die kommenden Nächte in einem Hotel zu verbringen. Man könne ja nie wissen. Ich lehne ab. Rückzug liegt mir nicht. Außerdem habe ich noch die Fische meiner Nachbarin zu füttern.
Ich überlege immer wieder, was da eigentlich vorgefallen ist. Wieso war der asiatische Riese so scharf darauf mich umzulegen? Ich habe ihn nie zuvor gesehen.
Jetzt, wo Ruhe im Terminal einkehrt, kann ich meine Gedanken ordnen. Das mache ich immer um diese Zeit. Sortieren und analysieren, was heute wichtig war und was von der Festplatte in meinem Kopf gelöscht werden kann.
Mir fällt der gebräunte Schönling aus Bookbinder’s Bar wieder ein. Er kam mir nervös vor. Und dieser Zustand setzte erst ein, als ich an seinen Lederbeutel ging. Hatte er darin noch etwas anderes – etwas, was ich nicht sehen durfte – außer der Figur? Wenn ich mich recht erinnere, schien der Beutel ansonsten leer zu sein.
Der Spanner Sebastian Whitford wollte sich auch eine Figur in dem neuen Kunstwarenladen kaufen.
Im Laufe meines Jobs habe ich ein Gefühl oder besser einen Instinkt entwickelt für Geschehnisse und Personen, die einer nachhaltigen Betrachtung bedürfen. Wäre ich den ganzen Tag über nicht mit dem merkwürdigen Einbruch in meinem Haus beschäftigt gewesen, hätte ich den Mann in Bookbinder’s Bar nicht so einfach gehen lassen. Eine Routineüberprüfung von Personen ist mir jederzeit ohne Nennung von Gründen möglich. Zwei Individuen – Whitford und der Gebräunte – hatten ein gemeinsames Ziel im Terminal: Sharon Jacintos Laden. Beide haben oder wollten eine Präsidenten-Figur kaufen.
Ich werde morgen früh Paul Medeski einen Auftrag erteilen. Er soll den Kunstwarenladen
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