Terra Anchronos (German Edition)
im Bett und grübelte darüber nach, wie Marthas Geschichte zu erklären sei. Es war doch alles zu merkwürdig. Dass Martha ihn belogen hatte, wollte er aber auch nicht glauben.
Im Heimathaus
Am nächsten Morgen begegnete der Kapitän den Kindern aufgeräumt und bei guter Laune.
„Arne, was hältst du davon, wenn wir unserem Besuch ein wenig die Gegend zeigen?“ Freundlich blickte er zu Martha. Die gab jedoch mit keinem Wort, keiner Geste zu verstehen, was sie von dem Vorschlag hielt.
„Wir könnten ins Heimathaus nach Bensersiel fahren. Habt ihr Lust?“
Als der Name Bensersiel fiel, tauschten Arne und Martha bedeutungsvolle Blicke. Arne war sofort Feuer und Flamme. Martha hingegen, das spürte der Junge deutlich, schwankte zwischen Entsetzen und Neugier.
Dem Vater fiel die Erregung der Kinder auf.
„Ihr scheint euch schon ganz gut zu verstehen. Es wäre nur schön, wenn ihr mich an euren Gedanken teilhaben lassen würdet.“
„Ja!“
„Nein!“
Es war schlecht möglich zu beurteilen, welcher Ausruf überzeugter geklungen hatte. Arnes Zustimmung war erheblich lauter gewesen, doch Marthas leisere Ablehnung schien ebenfalls deutlich zu sein.
Etwas verwirrt lehnte der Kapitän sich zurück und beobachtete Martha eine Weile. Es waren nicht die unterschiedlichen Antworten, die ihn nachdenklich machten, sondern einfach der Umstand, dass er Martha zum ersten Mal hatte sprechen hören.
„Du kannst also sprechen.“ Nachdenklich rieb sich der Kapitän über das Kinn. „Wie heißt du, Kind?“
Martha antwortete nicht, doch Arne meldete sich zu Wort.
„Sie heißt Martha.“ Arne glaubte, so viel verraten zu dürfen. Als er jedoch Marthas erschrockenen Gesichtsausdruck sah, tat ihm die Auskunft schon leid.
„Weißt du noch mehr, Arne?“
Der Junge sah verzweifelt aus, als er schnelle Blicke auf das Mädchen und den Vater warf. Es kostete ihn viel Überwindung, seinem Vater eine Lüge aufzutischen, doch in diesem Falle musste es sein.
„Nichts! Sie weiß nur ihren Namen. Ich glaube, Martha hat alles vergessen.“
„Interessant“, meinte der Kapitän. „Ein Amnesie.
Das ist durchaus möglich.“
„Was ist denn eine Amnesie?“, wollte Arne wissen.
„So nennt man das, wenn ein Mensch alles Vergangene vergessen hat, sich einfach an nichts mehr erinnert. Merkwürdig nur, dass sie ihren Namen noch weiß.“
Arne verbarg sein schlechtes Gewissen hinter einem unbeteiligt wirkenden Achselzucken.
„Wir werden einen Arzt aufsuchen. Vielleicht hat Martha eine Kopfverletzung. Das muss in jedem Falle untersucht werden.“
Die Fahrt nach Bensersiel, wo auch der Arzt seine Praxis hatte, begann mit unvermuteten Schwierigkeiten. Martha war nicht zu überreden, sich in das Auto zu setzen. Die Angst vor dem unbekannten Ungetüm war ihr deutlich anzumerken. Erst als Arne sich schließlich auf die Rücksitzbank setzte und lange auf Martha einredete, konnte sie ihre Furcht überwinden.
Mit seiner Vermutung, dass Martha noch nie in einem Auto gesessen hatte, lag er durchaus richtig. Völlig verkrampft und nass vom Schweiß stieg das Mädchen nach der kurzen Fahrt in Bensersiel wieder aus. Arnes Vater ärgerte sich darüber, dass der Arzt ausgerechnet an diesem Tag seine Praxis geschlossen hatte, doch dann nahm er die Kinder mit zum Besuch des Heimathauses.
Es sollte jedoch auch sein Gutes haben, dass der Arzt nicht anwesend war. Hätten die Kinder dann vielleicht auf den Besuch des Heimathauses verzichten müssen?
Es wäre sonst womöglich für immer verborgen geblieben, was Arne an diesem Tag erfahren sollte.
Es traf sich, dass der Kapitän direkt am Eingang des Heimathauses alten Bekannten begegnete. Natürlich musste erst ein ausführlicher Klönschnack gehalten werden. Arnes Vater ahnte, dass die Kinder sich langweilen würden. Also drückte er ihnen zwei Eintrittskarten in die Hand und schickte sie auf eigene Faust los.
Martha kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Wenn ihr in den vergangenen Tagen alles fremd und unbekannt vorgekommen war, dann erlebte sie jetzt ein freudiges Wiedererkennen nach dem anderen.
Arne bemerkte, dass Marthas Augen strahlten. Ihre Haltung war nicht so scheu wie sonst. Ihre Zurückhaltung hatte sie gänzlich abgelegt. Andauernd wies sie Arne auf Gegenstände hin, mit denen sie scheinbar Erinnerungen verknüpfte. Hier war es eine alte Lampe, dort das besondere Muster einer Tischdecke.
Arne war nicht sonderlich beeindruckt von den Alltagsgegenständen, die sie auf ihrem
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