Terra Anchronos (German Edition)
Strahl einer Taschenlampe durch das Dunkel.
Ohne auch nur im Geringsten darauf zu achten, dass der Schein seiner Lampe eine Ecke des Raumes erleuchtet hatte, in der ein atemloser Beobachter der Szene kauerte, ging der Mann an den Schreibtisch zurück.
Arne indes, der vom Strahl der Taschenlampe geblendet worden war, bekam es mit der Angst zu tun.
Er rieb sich die Augen, schloss sie für eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Danach wagte er jedoch keine weitere Bewegung, die seine Anwesenheit hätte verraten können.
Arne wusste nicht, wo er sich befand, geschweige denn, wie er an diesen Ort gekommen war. Seine letzte Erinnerung war der Anblick des Stundenzeigers seiner Uhr, der auf Punkt zwölf stand. Vorsichtig tastete er sein Handgelenk ab. Die Uhr war da und zeigte eine Minute nach Mitternacht. Arne nahm zumindest an, dass es Mitternacht sein musste. Hell und strahlend warfen die Sterne ihr Licht durch die geöffnete Kuppel des Observatoriums.
Konzentriert studierte der alte Mann das vor ihm liegende Blatt. Dann ging er bedächtig zu seinem Fernrohr und blickte lange in den Sternenhimmel. Wie um sich zu vergewissern, wechselte er noch mehrmals den Platz zwischen Schreibtisch und Fernrohr. Hastig kritzelte er immer wieder einige Notizen auf ein Blatt Papier und las sie im Schein seiner Taschenlampe wiederholt durch.
Noch einmal ging er an die Kommode, zog das nächste Blatt aus der Schublade und breitete es über dem ersten aus, das noch immer auf dem Tisch lag.
Tief beugte er sich hinunter, um die Aufschrift am oberen linken Rand der Blätter zu vergleichen. Er nickte zufrieden.
„Der 21. und 22. Januar“, lachte er leise in sich hinein. Dann ging er händereibend wieder zu seinem Fernrohr.
Arne beobachtete, wie sich auch diesmal die Prozedur des Beobachtens und Vergleichens mehrmals wiederholte. Immer aufgeregter eilte der alte Mann durch den Raum. Es schien sich um eine sensationelle Entdeckung zu handeln, deren Zeuge Arne in den vergangenen Stunden geworden war. Seine Uhr zeigte zuverlässig die Zeit an. Die Wanduhr über der Tür bestätigte das. Es war inzwischen zehn Minuten nach drei geworden. Über drei Stunden hockte der Junge nun schon bewegungslos in einer Ecke des Raumes und wagte kaum, die steifen Beine einmal auszustrecken. Arne hoffte, dass der von Minute zu Minute immer aufgeregter wirkende Mann endlich Feierabend machen würde.
Wieso redete dieser Mensch andauernd vom 21. und 22. Januar? Waren Martha und er nicht kurz nach Ostern in den Pazifik gesprungen? Ich habe doch kaum Zeit in der Terra anchronos verbracht, überlegte er. Wir sind durch einen kurzen Tunnel gegangen und waren sofort in der Versammlungshalle. Es kann nicht länger als eine Stunde gedauert haben, bis Sigurd mich zum schwarzen Raucher gebracht hat. Wieso sollte es Januar sein? Ostern war im März. Da fehlen zehn Monate.
Die Frage nach der verlorenen Zeit nahm Arnes Denken gänzlich in Anspruch.
Dennoch entging ihm nicht, dass der Astronom immer leichtfüßiger durch den Raum lief. Offensichtlich war der Mann seiner Sache inzwischen sehr sicher, denn der zweifelnde Gesichtsausdruck, der hin und wieder im Schein der Lampe zu erkennen gewesen war, hatte sich in ein strahlendes Lachen gewandelt.
„So!“, hörte Arne den Astronomen sagen. „Diese Nachricht wird die Welt erschüttern. Wenn sich diese mit allen Auszeichnungen dekorierten und hochnä sigen Astronomen und Physiker zu schade sind, den Himmel über der Erde zu beobachten, brauchen sie sich nicht zu wundern. Nichts werden sie sehen. Das Nachsehen werden sie haben.“
Arne hörte, wie der alte Mann ein schadenfrohes Lachen ausstieß.
„Das alte ehrwürdige Observatorium seiner Majestät, der Königin von England, war ihnen nicht mehr gut genug.“
Der Astronom ging zu seinem Fernrohr und strich mit einer liebevollen Handbewegung über das alte Rohr.
„Aufs Abstellgleis wollten sie uns schieben. Haben das ganze Institut verlegt und allein uns zwei zurückgelassen. Aber jetzt verspreche ich dir, dass es ihnen leid tun wird. Nach dem Kalender ist heute der 22. Januar. Die Sterne sind anderer Meinung.“
Er tätschelte noch einmal das kalte Metall des Rohres. „Es gibt keinen Zweifel. Die Sterne zeigen die Konstellation des 21. Januar. Es fehlt ein ganzer Tag.“
Der Astronom betätigte einen Schalter. Die Kuppel des Observatoriums schloss sich quietschend.
„Nur gut, dass niemand da ist, der Zeuge meiner Entdeckung werden konnte.
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