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Terra Anchronos (German Edition)

Terra Anchronos (German Edition)

Titel: Terra Anchronos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andree Leu
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langen Augenblicken des Zögerns, gehorchte er seinem Gefühl. Diesem Mann konnte er vertrauen, das spürte er ganz deutlich. Also begann er mit seiner Erzählung. Nicht ein einziges Mal unterbrach der Astronom ihn. Nicht einmal einen Ausruf des Erstaunens ließ der alte Mann zwischendurch hören.
    „Du hast also die Uhr zurückgestellt und wurdest fortgerissen.“
    „So war es“, bestätigte Arne. „Dann habe ich mich in diesem Raum wieder gefunden.“
    Nachdenklich kaute der Astronom auf einem kurzen Bleistiftstummel, den er hinter dem Ohr hervorgezogen hatte.
    „Deine Geschichte ist so fantastisch, dass man sie kaum glauben kann.“
    „Sie glauben, ich lüge?“
    „Nenn mich Stewart, Junge. Wie ist eigentlich dein Name?“
    „Arne.“
    Voller Ungeduld rutschte Arne auf der Sitzfläche seines Sessels hin und her. „Sie glauben mir nicht?“ Schnell schob Arne die ihm angebotene Anrede nach: „Stewart?“
    „Das habe ich mit keiner Silbe erwähnt, Arne. Du musst genau zuhören. So, wie ich die Sterne genau beobachten muss, um nicht falsche Schlüsse zu ziehen.“
    Stewart erhob sich und ging langsam durch sein Observatorium. Arne verfolgte den Astronomen mit seinen Blicken.
    „Man würde dir nicht glauben. Das weiß ich“, sagte Stewart, als er sich wieder zu Arne setzte. „Ich al erdings habe heute Nacht eine Beobachtung gemacht, die in erstaunlicher Weise durch deine Geschichte ihre Erklä rung finden könnte.“
    „Wieso könnte? Ich habe doch alles was Sie gesagt haben, gehört. Die Sterne zeigen das gestrige Datum an. Ist denn das nicht Beweis genug?“
    „Nur langsam, junger Freund,“ antwortete der Astronom und drückte Arne, der erregt aufgesprungen war, wieder in den Sessel zurück. „Ziehe niemals aus einer einmaligen Beobachtung voreilige Schlüsse. Das ist mir einmal als junger Mann passiert. Seitdem bin ich vorsichtig geworden.“
    Stewart lehnte sich zurück und zog eine Pfeife aus der ausgebeulten Kitteltasche, die er gemächlich stopfte und dann entzündete.
    „Ich war ungefähr zwei Jahre als Astronom in der königlichen Sternwarte angestel t. Damals befand sie sich wegen der besseren Sicht schon auf Herstmonceux Castle in Sussex. In London war die Luftverschmutzung zu einem großen Problem für meine Zunft geworden.
    Da machte ich eine sensationel e Entdeckung im Sternbild der Schlange. Im Grunde hatte mich das Interesse an der griechischen Mythologie getrieben, dieses Sternbild so genau in Augenschein zu nehmen. Ich fand die Geschichte bemerkenswert. In der Antike glaubten die Griechen, die Schlange am Sternenhimmel sei eben jene, die sich auch um den Äskulapstab, das Sinnbild der Heilkunst, winde.“
    „Die Apotheker haben doch heute auch noch den Stab und die Schlange am Türschild.“
    „So verhält es sich“, bestätigte der Astronom. „Der Legende nach ist Glaukos, der Sohn des König Minos, in ein Honigfass gefallen und erstickt. Der Seher Polyeidos fand den Jungen. Zusammen wurden beide von Minos eingesperrt. Polyeidos sollte den Jungen zum Leben erwecken. Da kam eine Schlange, die der Seher tötete. Sofort kam eine zweite Schlange mit Kräutern im Maul. Mit diesen Kräutern gab sie ihrer toten Artgenossin das Leben zurück. Polyeidos, der das gesehen hatte, gab auch dem jungen Glaukos von diesen Kräutern und der Junge erwachte tatsächlich.“
    Dem Astronomen war während der Erzählung die Pfeife ausgegangen. Er klopfte sie bedächtig aus und ließ sie wieder in die Kitteltasche gleiten.
    Arne sagte kein Wort, sondern sah den Mann nur neugierig an. Seine anfängliche Angst und Unsicherheit war völlig verschwunden. Er hörte die warme Stimme des Mannes gerne. Auch im Gesicht des Astronomen konnte Arne nichts Boshaftes oder Verschlagenes erkennen. Der Junge war überzeugt, dass er mit Stewart einem Mann begegnet war, der ihn nicht nur zu verstehen schien, sondern dem er auch vertrauen konnte.
    „So viel zur Mythologie“, fuhr Stewart fort. „Eines Tages, als ich das Sternbild der Schlange beobachtete, glaubte ich darin einen neuen Stern entdeckt zu haben. Das schien mir nicht ungewöhnlich, denn bereits im Jahr 1970 hatte man eine neue Nova dort entdeckt.
    Sie erhielt den prosaischen Namen FH Serpentis.“
    Stewart lachte kurz auf und winkte verächtlich ab.
    „FH Serpentis ist noch einer der schönsten Namen, die heutzutage an neue Sterne vergeben werden. Meistens erhalten sie nur eine Nummer.“
    Stewart besann sich kurz und fuhr dann fort: „Ich hatte also

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