Terra Mater
regelmäßige sexuelle Beziehungen (eine der wenigen, raren Vergnügungsmöglichkeiten auf der Insel), aber vor ihrer Verbannung wurden Männer wie Frauen sterilisiert.
Als die Matrionen Oniki zu lebenslanger Verbannung verurteilt hatten, hatten sie vergessen, die junge Frau einem Schwangerschaftstest zu unterziehen, eine Routineuntersuchung, wenn das Keuschheitsgebot verletzt worden
ist. Kardinal d’Esgouve hatte ihnen jedoch untersagt, Oniki der öffentlichen Schande aussetzen. Beim ersten Licht des blauen Riesengestirns Xati Mu hatte man ihr anstelle des roten Schandkleides das graue Gewand der Verbannten angelegt. Man hatte sie zum Hafen geleitet und in den Frachtraum einer Aquakugel gesperrt. Nicht einmal von ihren am Quai stehenden Eltern hatte sie sich verabschieden dürfen.
Die Aquakugel hatte Kurs auf die Insel genommen, sich vom hellen Licht der Großen Orgeln entfernt, und war nach einer sieben Tage dauernden, monotonen Reise immer tiefer in eine dichte Finsternis eingedrungen. Am Ziel angekommen, hatte die Mannschaft Lebensmittel, Medikamente und drei Licht-Kugeln ausgeladen und ohne ein Wort (es brachte Unglück, mit den Verbannten zu sprechen) wieder abgelegt.
Die Bewohner der Insel hatten Oniki schweigend empfangen. Da sie grau gekleidet war, wussten die Verbannten sofort, wessen man sie anklagte. Eine ehemalige Thutalin namens Soji hatte sich ihrer angenommen.
Glücklicherweise war eine Grotte kurz zuvor frei geworden, weil deren Bewohner an einer Gräte erstickt war. Die Verbannten lebten in den Höhlen des einzigen Bergs auf Pzalion. Roh behauene Steine dienten als Stühle und Tische. Getrocknete Algen wurden zu Matratzen, Decken, Wandverkleidungen verarbeitet, ja sogar zu Kleidungsstücken, wenn die alten abgenutzt und nicht mehr brauchbar waren.
Die viertausend Menschen auf Pzalion ernährten sich ausschließlich aus dem Meer: Fischen, Schalen- und Krustentieren und Algen. Ob der Fang gut oder schlecht war, er wurde immer unter allen aufgeteilt. Die anderen Arbeiten wurden je nach Fähigkeiten aufgeteilt. Bei steigender Flut
versammelten sich die Verbannten auf einem von Felsen umgebenen Plateau und sangen die alten ephrenischen Lieder, die Lieder der Pioniere. Einige imitierten den Klang der Großen Orgeln, und stille Tränen liefen über die Wangen der Männer und Frauen.
Als Oniki zum ersten Mal in die unheimlichen Gesichter dieser Verdammten sah, fürchtete sie, dass sie sich auf sie stürzen und sie vergewaltigen würden. In Koralion kursierten furchterregende Geschichten über diese Verbrecher. Doch überraschenderweise waren sie völlig friedfertig. Onikis Schönheit beeindruckte die Männer natürlich, aber sie behandelten sie mit großem Respekt und einer unendlichen Sanftheit. Die ehemalige Thutalin Soji hatte als Erste erkannt, dass Oniki schwanger war, und es während einer Zusammenkunft verkündet. Seitdem gaben sich alle Verbannten große Mühe, das Leben der werdenden Mutter so angenehm wie möglich zu machen. Sie brachten ihr die schönsten Fische und Meeresfrüchte und schmückten ihre Grotte mit Meeresblumen und den siebenarmigen Seesternen, aus denen Soji das Gift extrahierte, um ein Elixier daraus zu gewinnen. Oniki hatte auch eine Licht-Kugel für sich allein – aus Angst, sie könnte in dem felsigen Gelände stürzen und sich verletzen.
Oniki versenkte sich in ihre Erinnerungen … das Streicheln seiner Hände, den Geruch seines Körpers. Sie trank seine Liebe. Obwohl er ein Magier sein musste, da er anscheinend nach Belieben erscheinen und sich wieder auflösen konnte, hatte er sie noch nie in der Verbannung besucht. Er hatte ihr gesagt, sie dürfe die Hoffnung nicht verlieren … Sie hatte ihn nur ein paar Stunden gekannt und trotzdem das Gefühl, bis in alle Ewigkeit mit ihm verbunden zu sein.
Auf Pzalion war es weder warm noch kalt. Je nach dem Stand der Gezeiten variierte die Temperatur nur um ein paar Grad. Auf der Insel gab es keine Vegetation, kein natürliches Licht, und allein der von den Großen Orgeln wehende Wind versorgte sie mit nicht sehr sauerstoffreicher Luft, und vielleicht war dies eine Erklärung für die seltsame Ausgeglichenheit ihrer Bewohner.
Oniki hatte jedoch immer öfter das Gefühl, etwas schnüre ihr die Brust zu. Sie schlief lange Stunden in ihrer Grotte. Dann besuchte ihr Prinz sie in ihrem Träumen, lüftete ihre Decke aus getrockneten Algen und betrachtete ihren runden Bauch. Eine solche Liebe leuchtete aus seinen dunklen Augen,
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