Terra Mater
Trotz eines exorbitant hohen Tarifs wurde es immer beliebter, einbalsamierte Köpfe der Wilven (Wilde vom Stamm der Sylven) als Trophäen zu erwerben, weil sie ein höheres Prestige als normale Trophäen wie weiße Tigerbären, Feuerpumas oder andere Raubtiere garantierten.
»Wollen Sie einen ganzen Stamm Eingeborener auslöschen?«, fragte der junge Mann, in einem neutralen Tonfall.
Er nahm sein Glas und trank. Der bittere franzianische Wein brannte in seiner Kehle. Das Schicksal der Wilven sowie der Rest waren ihm egal. Vor fünf Jahren war er vom Planeten Terra Mater geflohen. Nach einer ziellosen Reise von einer Welt in die nächste war er auf Franzia gelandet. Nicht weil es ihm auf diesem Planeten im Sternhaufen Neorop besonders gefallen hätte, sondern weil er keine andere
Wahl gehabt hatte: Das Antra des Lebens, die Vibrationen der Stille hatten ihn plötzlich verlassen und somit die Möglichkeit, allein kraft seiner Gedanken zu reisen.
»Nein! Tausendmal nein!«, stieß der Jäger hervor. »Ich habe schon so viele Wilvenköpfe, dass ich sie kaum noch zählen kann! Ich habe sogar die Körper einbalsamieren und auf meinem Landsitz in Issigor ein Eingeborenendorf rekonstruieren lassen … Zur Belustigung meiner Freunde, aber ich …«
Er beugte sich über den Tisch und musterte seinen Gesprächspartner mit Triefaugen.
»Dieses Mal gehen wir nicht hier auf die Jagd, sondern reisen zum Satelliten Jer Salem … In zwei Wochen geht’s los, mit … mit …«
Er drehte sich um und warf einen Blick über die Schulter. Die Bewegung war so heftig, dass sein Stuhl fast umgekippt wäre.
Der rothaarigen Bedienung hinter der Theke fiel es immer schwerer, sich der grabschende Händen der betrunkenen Jäger zu erwehren. An den unbehauenen Holzwänden hinter ihr hingen präparierte Köpfe von Jagdtrophäen, Raubkatzen, in deren leeren Augenhöhlen Lampen brannten.
»Mit einer besonderen Raumfähre … Aber das ist ein Geheimnis … das darfst du nicht verraten … Wir sind nur zehn Leute …«
»Auf Jer Salem gibt’s doch außer ein paar weißen Tigerbären kein Wild«, sagte der junge Mann.
Der Jäger trank wieder einen kräftigen Schluck, ehe er antwortete: »Das war wohl so, jedenfalls die letzten achttausend Standardjahre … Aber in einem Monat, da … da kommen die … die Xaxas.«
»Die Xaxas?«, fragte der junge Mann erstaunt. »Die Vögel aus der Mythologie der Jersaleminer?«
»Die Xaxas sind keine Vögel, sondern … sondern sagenhafte Tiere, die sich von einer Galaxie zur anderen bewegen.«
»Sollte es sie geben, stimmt das wohl.«
»Und warum sollten sie nicht existieren?«, sagte der Jäger verächtlich.
»Weil es sich um allegorische Geschöpfe handelt. Eine sinnbildliche Darstellung aus religiösen Gründen.«
Wieder drehte sich der Jäger gefährlich schwankend um und deutete auf einen seiner Kumpel, der halb über der Theke hing.
»Siehst du den Mann da? Den mit der schwarzen Jacke und der roten Mütze? Er heißt Song-Nu Jien und ist einer der bedeutendsten Gelehrten der Welten des Zentrums. Vor kurzem wurde er zum offiziellen Historiographen am kaiserlichen Hof ernannt. Nach unserer Expedition wird er auf Syracusa sein Amt antreten.«
»Ja, und?«
»Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er mit dem Studium der Mythen Jer Salems verbracht … der bekannten Glebareligion. Er hat diese Reise initiiert und versprochen, dass wir Xaxas schießen können … Ein Traum, wenn man gerade an dem Ort ist, wo nur alle achttausend Jahre ein äußerst seltenes Wild anzutreffen ist. Und das auf diesem jämmerlichen vereisten Sternhaufen namens Jer Salem. Wir sind nur zehn Männer, die dieses Privileg im bekannten Universum genießen. Und du, wenn du es denn willst.«
»Was muss ich dafür tun?«
»Uns helfen, die Ausrüstung zu tragen. Song-Nu Jien hat uns geraten, schwere Waffen mitzunehmen, wie etwa Lichtkanonen. Es heißt, dass die Xaxas eine sehr dicke Haut
haben, weil sie sich gegen den atmosphärischen Druck des Alls panzerartig schützen müssen und vor allem auch, wenn sie wieder in die Stratosphären eindringen. Jeder von uns wird von einem Träger begleitet. Das sind Germinaner aus Alemanien, brutale Kerle, mit nichts im Hirn, aber breiten Schultern. Gestern haben sie einen von denen in einer Gasse in Nea-Marsile niedergestochen, und wir können in so kurzer Zeit nicht mehr für Ersatz sorgen.«
Der junge Mann hob sein Glas und betrachtete die bernsteinfarbene Flüssigkeit,
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