Terra Mater
während die Bedienung hinter dem Tresen einem der Betrunkenen eine schallende Ohrfeige verpasste. Umsonst. Der Mann schlüpfte unter dem Brett hindurch, packte sie und schob ihr Kleid hoch.
Der junge Mann schenkte dem Geschehen keine Aufmerksamkeit. Er hatte vor dieser Frau nicht mehr Respekt als vor den Säufern. Für ihn zählten diese Menschen nichts. Sie waren nur Wesen aus Fleisch und Blut, die eines Tages zu Staub zerfallen würden.
Jetzt hatten sich drei Kerle auf sie gestürzt. Die abwehrenden Gesten und Schreie der Frau hatten etwas Lächerliches. Die sechs anderen lachten grölend, aber der junge Mann hätte am liebsten geweint. Manchmal gelang es ihm noch, Selbstmitleid zu empfinden.
»Also, was ist?«, fragte der Jäger.
»Warum ich?«
»Weil du kräftig aussiehst … Vielleicht bist du nicht so stark wie ein Germinianer, aber fünfzig Kilo Gepäck dürften dir keine Schwierigkeiten machen. Und ich finde dich sympathisch …«
Das Angebot kam zur rechten Zeit. Schon seit zwei Jahren ödete dieser Planet den jungen Mann an. Vielleicht war das eine Gelegenheit, sich in einer anderen Welt zu langweilen.
Ein paar Tage als Lustobjekt für diese ungehobelten Kerle wären sicher nicht schlimmer als diese nicht enden wollenden einsamen Stunden. Seine Seelenqualen würden diese Reise natürlich nicht mindern, aber er käme wenigstens auf andere Gedanken.
Die schrillen Schreie der Bedienung rissen ihn aus seinen Überlegungen. »Wie viel zahlen Sie?«
»Es gibt Leute, die uns dafür bezahlen würden, wenn sie mitkommen dürften«, sagte der Jäger mürrisch.
»Ich brauche das Geld«, entgegnete der junge Mann.
Zwar arbeitete er bereits für verschiedene Jagdgesellschaften, doch diese durchaus einträgliche Tätigkeit genügte ihm nicht, seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
»Hundert Standardeinheiten, den Lohn eines Trägers …«
»Auch wenn die Xaxas nicht kommen sollten?«
»Natürlich.«
»Ich bin einverstanden.«
»Fantastisch!«, rief der Jäger begeistert. »Ich bin Geof Runocq, aus Issigor«, stellte er sich vor und streckte dem jungen Mann seine Hand hin.
Der ergriff sie, leicht angeekelt von dem feuchten, schmierigen Kontakt. Wie angenehm war doch die Berührung mit der wohlriechenden Hand Naïa Phykits gewesen, dachte er. Nachdem sie ihn die Kunst des Antra gelehrt hatte, hatte sie ihn mit ihren strahlenden Augen ernst angesehen und leicht seine Stirn und seinen Mund berührt. Lange hatte er unbeweglich vor ihr gestanden und sich in ihren wunderschönen blaugrünen Augen verloren, fasziniert von ihrer Ausstrahlung und von den Vibrationen des Lebenstons. Er hatte das Gefühl gehabt, aus seinem Körper herauszutreten, zu Erde, zur Sonne, zum gesamten Universum zu werden. Sekundenlang war er mit dem schlagenden Herzen der
Schöpfung verbunden gewesen, war er zu einem der Krieger der Stille geworden.
Er erwachte aus seinem Tagtraum, und ihm wurde bewusst, dass der Jäger seine Hand nicht loslassen würde, bis er seinen Namen genannt hatte.
»Und ich bin Mikl Manura, vom sechsten Ring Sbaraos.«
»Sehr erfreut, Mikl Manura von Sbarao! Komm, ich stelle dir die anderen vor …«
Geof Runocqs Jagdkumpane waren kaum vorzeigbar. Doch das hinderte den Jäger nicht daran, unverständliche Namen vor den an der Theke hängenden oder am Boden liegenden Gestalten zu murmeln. Besäufnisse in diesen am Waldrand gelegenen Kaschemmen waren gang und gäbe. Der franzianische Wein – ein Gemisch aus dem Saft fermentierter Blätter und aus gelbem Reis gewonnenem Alkohol – gehörte zur Ausstattung des erfahrenen Jägers (ein Sinnbild der Männlichkeit), und ein Tourist, der sich dem Ritual des kollektiven Betrinkens verweigert hätte, wäre unweigerlich als Weichei abgestempelt worden.
Geof Runocq lehnte am Tresen, die Flasche in der schlaff herunterhängenden Hand. Seine Kumpanen schnarchten inzwischen mit offenen Mündern. Sie alle trugen unter ihren Capes aus Lebens-Stoff oder ihren Mänteln aus Seide Colancors. Die unter ihren leuchtenden Wasserkronen hervorquellenden Zöpfe oder die Falten ihrer Hauben lagen in Pfützen aus Wein oder Erbrochenem.
»Morgen … wir treffen uns … hier. Morgen früh … ehe wir nach … nach Jer Salem aufbrechen, wollen wir noch ein kleines Experiment in Nea-Marsile versuchen … Ein einzigartiges Experiment … Weißt du was für eins?«
Das wusste Mikl Manura nicht, aber er hatte vom Gestammel seines Gesprächspartners die Nase gestrichen
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