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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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besuchte und von der niemand kam.
    Diese unvorhergesehene Zwischenstation hätte für Mikl die Chance seines Lebens sein müssen. Er litt noch unter dem durch die Deremat-Reise hervorgerufenen Gloson-Effekt, als herrliche leuchtende Gestalten scheinbar aus dem
Nichts vor ihm auftauchten … Naïa Phykit, Sri Lumpa, der damals dreizehnjährige Shari und ein paar ihrer Schüler.
    Von diesem Augenblick an war sein Leben traumhaft schön gewesen. Naïa Phykit war für ihn eine Mutter geworden, von der er niemals zu träumen gewagt hätte. Nach seiner Initiation hatte er gelernt, den Ton des Lebens zu beherrschen, auf seinen Gedanken zu reisen und den Klang seiner Stimme dem des Chors der Schöpfung anzupassen …
    Denn die Krieger der Stille hatten bereits gemäß der Lehre der Inddikischen Wissenschaften den Übergang eines Weltzeitalters in das nächste vorbereitet – dem der Trennung in das der Vereinigung. Ein gefährliches Unterfangen, denn andere Wesen sprachen dem Menschen seine Schöpferkraft ab und versuchten, das gesamte Menschengeschlecht auszulöschen.
    Shari, den Naïa Phykit und Sri Lumpa als den letzten Nachkommen der Mahdis bestimmt hatten, war als Zwanzigjähriger zu seiner letzten geheimen Prüfung aufgebrochen … Warum hatte Mikl nicht auf dessen Rückkehr warten können? Warum war er von diesem heftigen Verlangen getrieben worden, seine Mitschüler und seine Eltern des Lichts zu verlassen? Wollte er sich in den bekannten Welten herumtreiben, beseelt von einem Machtrausch, den das Antra in ihm erzeugt hatte?
    Heute konnte er sich nur noch erinnern, dass bei Yelles  – der Tochter Naïa Phykits und Sri Lumpas – Geburt ihn ein widerliches Gefühl der Eifersucht beherrscht hatte. Seine über alles geliebte Mutter hatte ihn verlassen. Wie ein paar Jahre zuvor seine leibliche Mutter. Wahrscheinlich konnte er es nicht vertragen, ein zweites Mal verlassen zu werden.

    Die Jäger hatten inzwischen ihre Posten verlassen. Sie gingen zur Außentreppe der Fabrikhalle.
    »Wartet!«, rief Mikl, denn das Tor wurde in diesem Moment langsam geöffnet.
    Song-Nu Jien mit schwarzer Weste und leuchtend roter Mütze betrat den Innenhof. In einigen Metern Abstand folgte ihm ein Gedankenschützer in weißem Kapuzenmantel.
    In der Fabrikhalle herrschte plötzlich eine bedrückende Stille. Die wie erstarrten Jäger beobachteten Song-Nu Jien. Er schritt gemessen bis in die Mitte des Hofs. Dann rannte er, wie vereinbart, auf das Gebäude zu.
    Der Scaythe blieb stehen.
    Die perfekte Zielscheibe für ungeübte Spießer mit schwach ausgebildeten Reflexen.
    »Worauf wartet ihr noch, verdammt noch mal!«, schrie Song-Nu Jien, am Fuß der Außentreppe stehend.
    Das Geschrei riss die braven Bürger aus ihrer Erstarrung. Sie entsicherten ihre Waffen, rannten die Treppe hinunter, gaben dem Historiographen seinen Wellentöter und pflanzten sich vor dem zu Stein gewordenen Gedankenschützer auf.
    Irgendetwas Bösartiges schien aus der Kapuze dieses scheinbar wehrlosen Scaythen zu strömen. Er wirkte gefährlicher als jedes Raubtier der franzianischen Wälder. Das helle Tageslicht schien sich kreisförmig um ihn zu bündeln.
    Mikl, noch immer in der Halle, hielt den Atem an.
    Die Jäger standen in einer Reihe vor ihrer Beute und legten die Waffen an.
    »Feuer!«, schrie Song-Nu Jien.
    Die Mündungen ihrer Waffen spien den Tod aus weniger als zwanzig Meter Entfernung. Graue Rauchwölkchen stiegen
aus dem weißen, durchlöcherten Kapuzenmantel auf. Aber der Scaythe stand noch immer unbeweglich da.
    Die Jäger gerieten in Panik. Mikl wurde von Entsetzen ergriffen.
    »Zielt auf den Kopf! Den Kopf, verdammt noch mal!«, brüllte Song-Nu Jien.
    Mit zitternden Händen gehorchten die Jäger. Dieses Mal machte der Scaythe taumelnd ein paar Schritte rückwärts.
    In Mikl erwachte eine wahnsinnige Hoffnung. Gleich würde der Gedankenschützer zusammenbrechen.
    Doch der Kapuzenmantel fiel zerfetzt zu Boden und enthüllte einen hässlichen, braunen, geschuppten Körper. Der Scaythe richtete sich wieder auf und wandte das Gesicht seinen zehn Mördern zu.
    »Feuer!«, kreischte Song-Nu Jien.
    Auch diese Salve ließ ihn unberührt. Die Jäger sahen, dass er keine Verletzung davongetragen hatte. Aus seinen hervorquellenden, gelben, pupillenlosen Augen schossen elektrische Blitze.
    »Feuer!«
    Verrückt vor Wut und Grausen schossen sie auf den Körper des Gedankenschützers – konnte man das einen Körper nennen? Er sah vielmehr wie eine der

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