Terroir
und die sich breitmachenden Schädlinge verantwortlich ist. Also hat er das gefälligst auch wieder zu richten. Viel arbeiten, ohne zu murren, das ist das schwere Los von Ökobäuerin und Ökobauer. Aber dafür sind sie auch gesund und rackern sich ab für einen guten Zweck, die Rettung der Welt. So hat man sie gern.
Das klingt nicht nur so, das ist eine zeitgenössische Inszenierung eines Akts aus dem alten Menschheitsdrama mit dem Namen Erbsünde: „So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.“ ( Genesis 3 , 17 – 19 )
Würde der Mensch weiterhin so wie früher im Einklang mit der Natur leben, hätte er nicht am Baum der Erkenntnis herumgemacht, um mit seinem neuen Wissen in patriarchalem Größenwahl in die harmonischen Abläufe einzugreifen, hätte er nicht mit seinem Egoismus und seinen großen Maschinen alles zerstört … Die gute Mutter Natur würde es ihm auch heute noch so wie damals mit Trauben so groß wie aus dem Lande Kanaan danken. Aber der Mensch hat es ja nicht gewollt. Also muss er sühnen.
Sie ist ganz schön schizo, diese Vorstellung vom bösen Menschen, der an allem schuld ist. Einerseits enthüllt sie Abgründe mangelnder Selbstachtung. Denn eine logische Schussfolgerung dieser Gedanken ist ja, dass es im Grunde genommen für die Natur am besten wäre, der Mensch würde wieder verschwinden. Andererseits impliziert diese Haltung ein völlig übersteigertes, anthropozentrisches Weltbild. Der Mensch als die Krone der Schöpfung. Und die Reben sind in einem göttlichen Plan dazu auserkoren, die Menschen mit Trauben à la Kanaan zu erfreuen. Schimmelpilz, Schnecke, Reblaus, dieses niedere Gewürm, haben keine Existenzberechtigung, außer wenn man ihnen die Aufgabe zuschreibt, als gefallener Luzifer den Menschen an seine Schandtaten zu erinnern. Wie die bei Bedarf aus dem Balken kriechende schwarze Spinne im gleichnamigen Roman von Jeremias Gotthelf. Die in dem klassischen Biedermeierroman beschriebenemoralinsaure Stimmung ist auch heute noch auf vielen Treffen der Ökobewegung lebendig.
Auf vielen, nicht auf allen. Denn die in Ecovin, Bioland oder Naturland organisierte Bioweinbewegung Deutschlands ist sehr heterogen. Viele Betriebe sind seit den 70 er- oder 80 er-Jahren dabei, andere erst seit Kurzem. Neben ideologisch überzeugten Ökoaktivisten engagieren sich andere aus ökonomischem Kalkül für das Ökosiegel. Und auch die Weinqualität spiegelt die gesamte Bandbreite des Möglichen. Das Gleiche gilt für die Ökobewegung weltweit. In Europa spielen Deutschland und seit Kurzem auch Österreich eine gewisse Vorreiterrolle, was die Stringenz der Richtlinien und Kontrollen angeht, weltweit sind es die US-Amerikaner. Als einziges Land der Welt wird hier zwischen einem organic grown und einem organic wine unterschieden und damit mit dem Finger auf eine der größten Schwachstellen der europäischen Biobewegung gezeigt. Aus dem Landbau kommend, sind die Winzer eindeutig weinbergsorientiert und drücken sich um eindeutige Statements zu den essentiellen Fragen der modernen Kellerwirtschaft mehr oder weniger herum. Was ist mit Styrolrückständen aus Plastikfässern, mit Geschmacksdesign durch Reinzuchthefen, mit in modernen Laboratorien durch Mikroorganismen hergestellten Enzymen, mit den wahnsinnigen Eingriffen in natürliche Reifeprozesse und der Manipulation durch die modernen önologischen Verfahren? Hier hüllt sich allerdings auch die amerikanische Ökobewegung in Schweigen. Aber dafür ist dort gesetzlich festgelegt, dass einem organic wine kein Schwefel zugesetzt sein darf und dass sein Gehalt an natürlichem Schwefeldioxid unter zwanzig Milligramm pro Liter liegen muss. Letzteres ist allerdings wiederum ohne den Einsatz gezüchteter Hefen und Gärhilfsmittel kaum möglich, da die wilden Hefen normalerweise höhere Schwefelmengen produzieren. Also kein Ökowein mit natürlichen Hefen? Zumindest in den USA. Aber dafür gibt es hier Weinflaschen mit Etiketten aus hundert Prozent Ökopapier, mit Sepia bedruckt, während in Europa Ökoweine teilweise mit metallbedampftem Hightechpapier daherkommen, von Plastik- oder (Schwer-)Metallkapseln mal ganz abgesehen.
Wein ohne Schwefel
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