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Terroir

Terroir

Titel: Terroir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Heymann-Loewenstein
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in der Akasha-Chronik zu lesen. Durch dieses Fünfte Evangelium, in dem als „kosmisches Gedächtnis“ alles Wissen über Vergangenheit und Zukunft gespeichert sei, habe Steiner durch eine Art „innere Schau“ Zugang zu den allerletzten und unumstößlichen Wahrheiten gefunden.
    Hat den wirtschaftlich recht erfolglosen, von Nietzsche und Max Stirner beeinflussten Goetheforscher Rudolf Steiner nun wirklich ein „geistiges Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster, ernstester Erkenntnis-Feier unmittelbarer Christus-Offenbarung“ verwandelt, wie er in seiner autobiografischen Skizze Mein Lebensgang schreibt? Oder liegt der Wandel vom anarchistischen und einem gepflegten Rausch und den sonstigen weltlichen Genüssen des Nachtlebens nicht abgeneigten Saulus zu einem tiefreligiösen und lustfeindlichen Paulus in Karrieregründen in der Berliner Okkultistenszene begründet, wie es die schandhaften Lästermäuler behaupten?
    Jedenfalls avancierte der gut aussehende und rhetorisch versierte Steiner innerhalb von nur zwei Jahren zum Vorsitzenden der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft und hielt als „der Jesus Christus des kleinen Mannes“ (Kurt Tucholsky) einen Vortrag nach dem anderen. Über den „Ätherleib“, der jedem Lebewesen eigen sei, den „Astralleib“, der nur bei beseelten Wesen wie Mensch und Tier vorhanden sei, und über den ewigen, nur dem Menschen anhaftenden „Wesenskern“, der nach dem Tod fortbestehe und der sich als Träger des Karma erneut in einem anderen Körpern inkarniere. So weit, so indisch.
    Die blonden Haare geben eigentlich Gescheitheit … Aber mit der Zeit verliert sich die Blondheit, weil das Menschengeschlecht schwächer wird. Und die Erdenmenschheit würde vor der Gefahr stehen, dass die ganze Erdenmenschheit eigentlich dumm würde, wenn nicht das kommen würde, dass man eine Geisteswissenschaft haben wird, eine Anthroposophie, die nicht mehr auf den Körper Rücksicht nimmt, sondern aus der geistigen Untersuchung selbst heraus die Gescheitheit wieder holt.
    So Steiner in Über Gesundheit und Krankheit . So weit, so blond.
    Aber er war doch mehr „als ein verzückter Dorfschullehrer,  [der] in schwarzem Paletot, mit schwarzem Schlapphut, in schwarzem Anzug, mit schwarzen Handschuhen adligen Damen in Vortragskursen von übersinnlichen Dingen“ erzählte, wie es ein Zeitgenosse kolportierte. Steiner referierte „wissenschaftliche Erkenntnisse“ über okkulte „Wurzelrassen“, wobei die „weiße Rasse“ dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ dem „Gefühlsleben“ zugehörig seien. Außereuropäern hängte er eine „weibliche Passivität“ an, und Juden betrachtete er als „Fehler der Weltgeschichte“.
    Obwohl Heinrich Himmler ein großer Steiner-Fan war und die gesamte deutsche Landwirtschaft nach biologisch-dynamischen Gesichtpunkten umkrempeln wollte und trotz eines langen Briefs an Hitler, in dem die Anthroposophische Gesellschaft beteuerte, niemals „zu irgendwelchen freimaurerischen, jüdischen, pazifistischen Kreisen irgendwelche Beziehungen oder auch nur Berührungspunkte“ gehabt zu haben, wurde die Gesellschaft 1935 offiziell verboten. Protegiert von führenden Nazis, u. a. von Rudolf Heß, konnten viele Institutionen jedoch weiter arbeiten. Erst nachdem Heß als Reaktion auf seinen Englandflug 1941 für verrückt erklärt wurde und sein Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber mit okkulter Beeinflussung durch Anthroposophen begründet wurde, kam es zu Verhaftungen und der endgültigen Zerschlagung der noch verbliebenen Strukturen.
    Und die Landwirtschaft? Um Pfingsten 1924 gab Steiner auf dem Gut Koberwitz bei Breslau vor etwa hundert Teilnehmern einen „landwirtschaftlichen Kursus“. Die acht Vorträge mit anschießender Diskussion fasste er unter dem Titel Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft zusammen: „Wenn wir den Kosmos wirken lassen wollen, dann ist es nötig, das Irdische möglichst stark in das Chaos hineinzutreiben … Das noch nicht zum Chaos Gekommene, das weist in gewisser Weise das Kosmische zurück. Verwenden wir das beim Pflanzenwachstum, so halten wir das eigentlich Irdische in der Pflanze drinnen fest und es wirkt das Kosmische nur in dem Strom, der dann wiederum hinaufgeht bis zur Samenbildung. Dagegen wirkt das Irdische in der Blatt- und Blütenentfaltung usw. In das alles strahlt nur das Kosmische seine Wirkungen

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