Terror von Rechts
passiert; sie suchten Räume zum Arbeiten, Räume für Kultur und Räume zum Leben.
Oft folgten den Räumungen der besetzten Häuser gewalttätige Auseinandersetzungen. Das, was sich Anfang der achtziger Jahre bei Demonstrationen abspielte, ging an Härte weit über das hinaus, was ein gutes Jahrzehnt vorher Ende der sechziger Jahre passierte. Die Jugendrevolte von 1980 war auch durch Militanz geprägt und erweiterte das linke Spektrum um eine neue, extrem heterogene Gruppierung: die Autonomen.
Laurin erklärt die aufkommende Militanz mit der »paranoiden Stimmung« in Deutschland Ende der siebziger Jahre: »Polizisten kontrollierten Autos mit der Maschinenpistole im Anschlag. Eine Folge des RAF-Terrors. Ebenso wie der immer weiter ausgebaute Überwachungsstaat. Dazu kamen der wirtschaftliche Niedergang und die zunehmende Angst vor der Atomkraft, die damals noch massiv ausgebaut wurde. Diese paranoide und bedrückende Stimmung entlud sich in den Auseinandersetzungen ab 1980. Die Militanz wurde von vielen als die Rückeroberung persönlicher Freiräume gesehen. Heute erscheint das merkwürdig, damals entsprach es dem Lebensgefühl vieler Jugendlicher.«
Im kollektiven Gedächtnis der alten Bundesrepublik spielen diese Auseinandersetzungen kaum eine Rolle – im Gegensatz zu den 68er-Protesten. Eine Frage der Generationen kann dies kaum sein, die Protagonisten der Achtziger sind heute längst alt genug, um mit ihren Jugenderlebnissen hausieren gehen zu können. Doch wahrscheinlich ist die damalige Militanz nichts, womit man den Lebenslauf etwas spannender gestalten könnte, ohne dass lästige Nachfragen gestellt werden. Laurin meint, heute sei die Jugendrevolte der frühen achtziger Jahre fast vergessen, weil ihre Mitglieder nicht so publikationsfreudig gewesen seien wie die 68er. Und dann sei da noch die kurze Zeit später an Bedeutung gewinnende Friedensbewegung gewesen: »Die Macht der großen Zahl, die Millionen auf den Latschdemos, der betroffenen Böll und BAP prägen bis heute das Bild dieser Zeit.« Die Rebellion der achtziger Jahre sei zutiefst antiautoritär gewesen, »hatte keine Idole und keine Führer. Nichts, was sich medial präsentieren konnte. Sicher auch ein Grund, warum sich kaum jemand an sie erinnert.«
Die Neonazis hatten indes längst aufgerüstet, eine kleine Armee aufgestellt, die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) mit Hunderten Mitgliedern, die eng mit der NPD verwoben war und beispielsweise den Saalschutz übernahm. Die Union lehnte ein Verbot der Gruppe ab, der damalige Innenminister von Bayern, Georg Tandler, spielte die Gefahr durch die Neonazis herunter. Zudem wurden aus der Union reflexartig Forderungen laut, es müssten auch linke Gruppen verboten werden, wenn man gegen die WSG vorginge. Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß verniedlichte die militante Neonazi-Gruppe folgendermaßen: »Mein Gott, wenn ein Mensch sich vergnügen will, indem er am Sonntag auf dem Land mit einem Rucksack und mit einem mit Koppel geschlossenen
Battle Dress
spazieren geht, dann soll man ihn in Ruhe lassen.« 22
Dennoch wurde die WSG im Jahr 1980 von Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) verboten. Bei Razzien der Polizei gegen die Gruppe wurden zahlreiche Waffen und sogar ein Panzer beschlagnahmt. Nach dem Verbot der rechtsextremen Truppe verübte Gundolf Köhler, ehemals Mitglied der Wehrsportgruppe, das Oktoberfestattentat. Im Dezember 1980 erschoss dann ein anderes Ex-Mitglied den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und dessen Frau. Ehemalige Mitglieder der WSG setzten sich schließlich in den Nahen Osten ab und kooperierten mit palästinensischen Terrorgruppen. Der
Spiegel
berichtete im Juni 1981: »Im Libanon verkaufte er [Hoffmann] den Palästinensern von der Bundeswehr ausgemusterte Militärautos, und da brachte er auch einige seiner Getreuen in Ausbildungslagern unter. Regelmäßig kam er eingeflogen, meist über Damaskus, kaum je hatte er Anlass zur Klage.«
Doch schließlich verrieten Mitstreiter ihren Anführer Hoffmann. Der
Spiegel
wies in diesem Zusammenhang auch daraufhin, dass rechtsextreme Anschläge schon länger zu beobachten gewesen wären: »Denn schon seit Ende der sechziger Jahre sind die neonazistischen Klüngel, die sich einst auf Hakenkreuznostalgie, eifernde KZ-Verleugnung und Politarbeit in diversen Splitterparteien zu beschränken schienen, zur Aktion übergegangen.
Den Anschlägen auf Friedhöfe, Ehrenmale und Sendemasten ist längst die Gewalt gegen Personen gefolgt –
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