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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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Fernsehserie als einen Meilenstein in der Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik; sie markiere »den Beginn der Bereitschaft nun auch eines Massenpublikums, sich mit der NS-Vergangenheit überhaupt auseinanderzusetzen.« 19
    Aus der DDR sind kaum Zahlen über rechtsextreme Umtriebe bekannt. Aber sogar in offiziellen Angaben tauchen bereits Ende der fünfziger Jahre neonazistische Machenschaften auf, inwieweit hier aber feste Strukturen vorhanden waren, ist schwer zu beurteilen. Dafür wurde im Jahr 1976 versucht, in Halle/Saale die Wohnung eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde zu sprengen. Zudem sind mehrere antisemitische Friedhofsschändungen bekannt. 20
    In den siebziger und achtziger Jahren formierte sich eine neue Generation von Rechtsextremen, sowohl im Osten als auch im Westen. Neonazis, die den Krieg nicht miterlebt hatten und auch nicht in der direkten Nachkriegszeit aufgewachsen waren. Bemerkenswerterweise waren die Reaktionen auf die Neonazis in West und Ost ähnlich, in der Bundesrepublik war von unpolitischen Jugendgangs die Rede, im Osten wurden die rechtsextremen Umtriebe unter Rowdytum verbucht. Beides war falsch, das Problem wurde verharmlost und verdrängt. Bernd Wagner, Initiator des Aussteigerprogramms Exit, führte in der DDR die Arbeitsgruppe Skinheads, doch der offiziell antifaschistische Staat wollte von braunen Umtrieben kaum etwas wissen, dies verbot das Selbstbild. Dabei wuchs und radikalisierte sich die Szene deutlich – und sie modernisierte sich: Während zuvor völkisches Liedgut, Wandergitarre und Naturromantik das kulturelle Leben der Rechtsextremen prägte, fingen die Neonazis an, die Subkulturen für sich zu entdecken, Fußball und Rockmusik beispielsweise. Michael Kühnen war Anführer der jungen Generation im Westen, aber auch viele Altnazis waren noch aktiv und fühlten sich von der sozialdemokratisch geprägten Bundesrepublik dieser Epoche sowie den starken linken außerparlamentarischen Kräften, die die postfaschistische Gesellschaft durcheinanderbrachten und erneuerten, umzingelt. Aus dieser Zeit sind zahlreiche rechtsextreme Morde und Anschläge dokumentiert. Die rechtsextreme Szene militarisierte sich, vom Rechtsterrorismus ging eine erhebliche Bedrohung aus. Der schlimmste Anschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde in München verübt. Am 26. September 1980 starben 13 Menschen bei der Explosion einer Bombe am Haupteingang des Münchner Oktoberfests, 211 weitere Personen wurden zum Teil schwerverletzt. Ob der von den Behörden als Einzeltäter bezeichnete Bombenleger Gundolf Köhler tatsächlich allein verantwortlich war, ist umstritten. Mehrfach wurde von verschiedenen Seiten vergeblich versucht, eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zu bewirken. Die Rolle von Geheimdiensten spielte dabei eine zentrale Rolle.
    Der Verfassungsschutz führte in seinem Bericht für 1981 sogar noch mehr Opfer von rechtsextremen Tötungsdelikten auf: 17 Menschen verloren allein in jenem Jahr in der Bundesrepublik ihr Leben durch rechtsextreme Täter. 1982 waren es sechs Todesopfer, dazu fünf Sprengstoffanschläge und 15 Brandanschläge. »Deutsche Neonazis beschafften sich wiederholt Waffen, Munition und Sprengstoff im Ausland«, notierte der Geheimdienst in seinem Bericht für 1982, und sie »erörterten mit ihren politischen Freunden Zielpersonen und -objekte für ihre Anschläge.« Das klingt im Zusammenhang mit dem NSU, dessen Spuren in die Schweiz, nach Osteuropa und Südafrika führen sollen, vertraut.
    Interessant erscheint, dass auch in linksradikalen Kreisen in diesen Jahren eine starke Militanz verbreitet war, die heute ebenfalls kaum noch thematisiert wird. Der Journalist Stefan Laurin schrieb über »Die vergessene Rebellion«. 21
    1980 – das war der Beginn von Jugendunruhen und militanten Demonstrationen, die sich bis in die Mitte der achtziger Jahre ziehen sollten. Hausbesetzungen standen im Zentrum des Protestes. Bei vielen dieser Besetzungen ging es um den Erhalt preiswerten Wohnraums – allein in Berlin waren zeitweilig über 100 Häuser besetzt. Aber etliche Besetzungen hatten auch das Ziel, autonome Zentren zu schaffen. Ob die Besetzungen der Siesmayerstraße und des ehemaligen Bundesbahngeländes Nied in Frankfurt, die Auseinandersetzungen um das Dreisameck in Freiburg, die Besetzungen der Bo-Fabrik in Bochum oder des Stollwercks in Köln: viele der Jugendlichen, die damals auf die Straße gingen, wollten Orte, an denen sie selbst bestimmen konnten, was

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