Terror von Rechts
jetzt gegen das Böse einsetzten. Zudem habe es für das deutsche Bürgertum keine geeignetere Konzeption gegeben, um die eigene kampflose Preisgabe der Weimarer Republik als das Resultat einer »doppelten Frontstellung« gegenüber Rechts- und Linksextremisten zu entschuldigen, schreibt Butterwegge, und »die geistigen Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus zu verschleiern und die selbstkritische Aufarbeitung der NS-Zeit überflüssig zu machen. Außerdem bot die Totalitarismustheorie eine Möglichkeit, die Mitschuld einflussreicher Gesellschaftskreise an der ›Machtergreifung‹ des Hitlerfaschismus, genauer: der Machtübergabe an die Nazis, zu relativieren. Die Weimarer Republik sei, so hieß es, am Zusammenspiel der Verfassungsfeinde links- und rechtsaußen zugrunde gegangen. Vor allem aber diente das Interpretationsmodell während der Ost-West-Konfrontation zugleich als innenpolitische Waffe gegen die demokratische Linke. Konservative unterstellten ihr, eine dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus wesensverwandte Herrschaft errichten zu wollen.« 15
Während sich die ganze Republik dem Antikommunismus widmete, erreichte die NPD in den sechziger Jahren ihre größten Erfolge: In Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zog sie in die Landtage ein, bei der Bundestagswahl 1969 schaffte sie fast den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Teile von CDU/CSU dachten offen über Koalitionen mit der rechtsradikalen Partei nach. Auffällig bei den Wahlergebnissen: Die NPD schnitt dort am besten ab, wo die NSDAP bereits vor 1933 erfolgreich war. Es handelte sich um Regionen mit einer traditionellen deutschnational eingestellten Wählerschaft und einer starken protestantischen Mehrheit. Der Hauptanteil der Wähler kam aus dem Mittelstand und stammte aus ländlichen Gebieten. Besonders stark war die NPD zudem bei den Landsmannschaften der Vertriebenen. 16
Auch die NPD war zu dieser Zeit strikt antikommunistisch ausgerichtet, erst in den neunziger Jahren gewann der völkische Antikapitalismus an Einfluss, die DDR gilt vielen Neonazis heute als das bessere Deutschland, da sie sozial und nicht »verwestlicht« gewesen sei.
Aus den ersten Jahrzehnten nach der Befreiung sind kaum belastbare Quellen über rechtsextreme Straftaten oder Morde zu finden. Angesichts des Kalten Krieges und des eisigen Schweigens über die deutschen NS-Verbrechen dürften rechtsextreme Straftaten in den fünfziger und sechziger Jahren keine sonderlich große Priorität in Politik, Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden genossen haben. Gleichzeitig gab es noch viele überzeugte Nazis, welche nun wieder auf Oppositionelle stießen, die aus dem Exil zurückkehrten. Der politische Ton der ersten Jahrzehnte in der Bundesrepublik war rau, rabiater Antikommunismus normal. Besonders heftige Beispiele sind von Franz Josef Strauß überliefert, der ihm unliebsame linke Publizisten im Schutze seiner Immunität »Ratten und Schmeißfliegen« nannte. Strauß sprach zudem der Waffen-SS seine Hochachtung aus: »Wie ich persönlich über die Leistungen der in der Front eingesetzt gewesenen Verbände der Waffen-SS denke, wird Ihnen bekannt sein. Sie sind selbstverständlich in meine Hochachtung vor dem deutschen Soldaten des letzten Weltkriegs einbezogen.« 17
Während also die Waffen-SS rehabilitiert wurde, stieg ab Ende der fünfziger Jahre die Zahl der antisemitisch motivierten Vorfälle in der Bundesrepublik an – zumindest wurden welche dokumentiert. 1959 gab es eine ganze Welle von Angriffen auf Friedhöfe. Dieser Anstieg hing mutmaßlich mit der langsam einsetzenden Aufarbeitung der deutschen Verbrechen zusammen, die bekannte Schuldabwehr. So begann beispielsweise 1961 in Jerusalem der Eichmann-Prozess, in dem das präzedenzlose Verbrechen vor einer Weltöffentlichkeit ausgebreitet wurde. Antisemitische Straftaten liegen bis heute auf einem beachtlichen Niveau. Allein zwischen 2000 und 2008 wurden in Deutschland nach offiziellen Angaben 470 Attacken auf jüdische Friedhöfe registriert. 18
Die Schuldabwehr spielt bei Schändungen von jüdischen Friedhöfen eine zentrale Rolle und war auch bei Anschlägen auf Sendemasten in Koblenz und im Münsterland im Januar 1979 das Motiv. Es sollte damit verhindert werden, dass die deutsch-amerikanische Serie »Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss« ausgestrahlt werden konnte. Der Politologe Peter Reichel bezeichnete die Ausstrahlung der
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