Terror von Rechts
bestimmte Kreise als linksextrem interpretieren, könnte im Extremfall schon bedeuten, Fördergelder zu verlieren. Gleichzeitig werden Programme gegen Linksextremismus aufgelegt, allerdings tut sich das Familienministerium schwer damit, diesen Begriff überhaupt zu definieren. Überraschend kam diese Entwicklung nicht. Seit Jahren warnte Familienministerin Schröder vor den Gefahren des Linksextremismus, der verharmlost werde, sowie des Islamismus, der in etwa »gleich groß« sei wie der Rechtsextremismus. Als Extremismus-Expertin beklagte sie die »grassierende Deutschenfeindlichkeit« – obwohl die Fachleute, auf die sich die CDU-Politikerin aus Hessen bezogen hatte, ihr deutlich widersprachen. Nur das Thema Rechtsextremismus schien auf Schröders Agenda zunächst kaum Platz zu finden, obwohl Neonazis in Hessen in den vergangenen Jahren mehrere schwere Gewalttaten verübten und Kader aus dem Bundesland überregional für Aufsehen sorgten. Auch der NSU war in Hessen aktiv, erschoss in Kassel einen Menschen – und Neonazis aus dem Bundesland unterhielten beste Verbindungen beispielsweise ins »Braune Haus« in Jena. Alles kein Thema für Schröder. Dafür äußerte sich die CDU-Politikerin im Jahr 2006 als Bundestagsabgeordnete zum Thema Rechtsextremismus und behauptete, ein in Halberstadt geplantes Konstantin-Wecker-Konzert sei nach Drohungen der NPD nicht abgesagt worden. Tatsächlich wurde es wegen der Neonazis nicht genehmigt, wie zunächst geplant, was praktisch das Gleiche bedeutet: Neonazis üben Einfluss auf das kulturelle Leben in Teilen Ostdeutschlands aus. Doch was nicht sein darf, kann eben nicht sein.
Ebenfalls 2006 unterstützte Schröder Forderungen, wonach die Adressen von Sexualstraftätern im Internet veröffentlicht werden sollten. Mit dieser Empfehlung sollte sie später mithelfen, Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen zu ziehen, obwohl sich Opferverbände deutlich gegen drakonische Strafen aussprechen, da diese keinen Nutzen für die Betroffenen bringen. Schröder arbeitet die konservative Agenda routiniert ab, auch das Aus für das Elterngeld für arme Familien war abzusehen. Bereits im Jahr 2002 ließ sie im Bundestagswahlkampf wissen, dass sie in der Familien- und Sozialpolitik dem Motto »Anstrengung macht Spaß« folge. Ginge es nach ihr, dann würde jedem Sozialhilfeempfänger eine Beschäftigung angeboten, »notfalls auch gemeinnützige Arbeit«. Schaut man sich das Misstrauen gegenüber Initiativen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus an, so spielt eine aktive Mitgestaltung in den Konzepten von Familienministerin Schröder keine große Rolle. Der Gießener Politikwissenschaftler Samuel Salzborn attestierte ihr ein ausgesprochen elitäres Demokratieverständnis. Schröder vertrete »ganz im Sinne des klassischen Konservatismus die Agenda der Gegenaufklärung, diesmal charmant vorgetragen, in den Augen vieler irgendwie liebenswert und ein bisschen naiv inszeniert, aber in der Ansage knallhart und kompromisslos.« 100
Es geht dabei um die Definitionsmacht, was demokratisch, also gut, und was extremistisch, also schlecht, ist. Schröder hatte in ihrer politischen Karriere übrigens bereits mehrfach Selbstverpflichtungen gefordert: von islamischen Gemeinschaften, den deutschen Radiostationen oder aktuell von Unternehmen zum Thema Frauen in Vorständen. Bislang wurde keine einzige umgesetzt. Bei den Programmen für Demokratie bleibt aber kein Raum für Freiwilligkeit, die Klausel wird zur Pflicht. Wenn es um bestimmte Errungenschaften geht, beispielsweise gesetzlichen Mindestlohn oder Frauenquoten, heißt es, dies sei eine unzulässige Einmischung des Staates. Bei der Überprüfung der Gesinnung von Bürgern heißt es hingegen, dies sei demokratisch notwendig. Eine Demokratie von oben, ein politischer Kulturkampf tobt. Die Antwort auf Rechtsextremismus ist Antifaschismus und mehr Demokratie, aber nicht nur auf parlamentarischer Ebene. Wir brauchen eine demokratische Kultur, die Respekt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden erfordert, aber auch Intoleranz gegen Intolerante, die die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte mit Füßen treten. Um den Rechtsextremismus wirksam und nachhaltig zu bekämpfen, muss man an die Substanz gehen, an die Grundfeste dieser Gesellschaft, an ihre Selbstwahrnehmung, an Institutionen, die noch immer nicht demokratisiert wurden. Schaut man in den braunen Abgrund, spiegeln sich die Missstände der Mehrheitsgesellschaft wider, eine groteske
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