Terror
die er zu Gesicht bekam, und bis heute hatte er keine schönere erblickt. Die dunkle Haut. Die Brüste schon schwer wie runde Früchte, aber trotzdem die einer Halbwüchsigen, die Brustwarzen noch nicht erhoben, die Vorhöfe seltsam glatte, dunkelbraune Kreise. So sehr er auch darum gebetet hatte, Sir John hatte dieses Bild in dem Vierteljahrhundert, das seither vergangen war, nicht aus seinem Gedächtnis tilgen können. Das Schamhaar des Mädchens zeigte nicht das klassische V, das er später bei seiner ersten Frau Eleanor erspäht hatte – ein einziges, flüchtiges Mal, als sie sich fürs Bad vorbereitete, da Eleanor während ihrer seltenen Liebesbegegnungen nie auch nur den geringsten Lichtschimmer duldete –, und hatte auch keine Ähnlichkeit mit dem spärlicheren, aber zugleich wilderen, weizenfarbenen Busch seiner jetzigen Frau Jane. Nein, das Indianermädchen Greenstockings hatte einfach ein schmales, aber tiefdunkles senkrechtes Vlies über dem Geschlecht. So zart wie eine Rabenfeder. Und so pechschwarz wie die Sünde.
Der schottische Seekadett Robert Hood hatte bereits während des ersten, schier endlosen Winters in der Blockhütte, der Franklin den Namen Fort Enterprise gegeben hatte, mit einer anderen Indianerin einen Bankert gezeugt und verliebte sich nun prompt in die junge Ahtna-Squaw Greenstockings. Das Mädchen hatte davor schon bei dem anderen Seekadetten George Back gelegen, doch als Back zu einem Jagdausflug aufbrach, wechselte sie den Gegenstand ihrer geschlechtlichen Ergebenheit mit einer Leichtigkeit, wie man sie nur bei Heiden und Wilden fand.
Franklin erinnerte sich noch gut an das Ächzen der Leidenschaft in der langen Nacht – keine Leidenschaft von wenigen Minuten, wie er sie mit Eleanor erlebt hatte (selbstverständlich
ohne je ein Stöhnen oder sonst ein Geräusch von sich zu geben, weil sich das für einen Gentleman nicht gehörte), oder zwei kurze Aufwallungen der Ekstase wie in jener denkwürdigen Nacht in den Flitterwochen mit Jane. Nein, Hood und Greenstockings trieben es ein halbes Dutzend Mal. Kaum war es in dem benachbarten Anbau still geworden, da ging es wieder von vorn los: Lachen, schwaches Kichern, dann das leise Stöhnen, das sich erneut zu Schreien steigerte, mit denen die schamlose Kindfrau Hood anfeuerte.
Jane Griffin war sechsunddreißig Jahre alt, als sie am 5. Dezember 1828 den jüngst in den Ritterstand erhobenen Sir John Franklin ehelichte. Die Flitterwochen verbrachten sie in Paris. Franklin hatte nicht viel übrig für die Stadt und auch nicht für die Franzosen, aber den Luxus des Hotels und die erlesenen Speisen wusste er durchaus zu schätzen.
Seine geheime Furcht damals war, dass sie bei ihren Reisen auf dem Kontinent diesem Roget über den Weg laufen könnten – Peter Mark Roget, der für ein gewisses literarisches Aufsehen gesorgt hatte mit der geplanten Veröffentlichung seines albernen Wörterbuchs, oder was es auch immer war. Dieser Mann hatte einmal um Jane Griffins Hand angehalten, war jedoch genauso abgewiesen worden wie alle anderen Freier in ihren jüngeren Jahren. Später warf Franklin einen Blick in Janes Tagebücher aus dieser Zeit. Vor sich selbst rechtfertigte er sein Vergehen mit dem Gedanken, dass sie die in Kalbsleder gebundenen Bände absichtlich so offen hingestellt hatte, damit er sie finden und lesen konnte. Dort erblickte er in der strengen, makellosen Schrift seiner geliebten Gemahlin jenen Satz, den sie an dem Tag geschrieben hatte, als Roget schließlich eine andere geheiratet hatte: »Die Liebe meines Lebens ist dahin.«
Sechs nicht enden wollende arktische Nächte lang hatte sich Robert Hood mit Greenstockings seinem lautstarken Vergnügen hingegeben, als schließlich sein Kamerad George Back von
dem Jagdausflug mit den Indianern zurückkehrte. Die beiden Männer vereinbarten für den nächsten Tag bei Sonnenaufgang – ungefähr zehn Uhr morgens – ein Duell auf Leben und Tod.
Franklin war ratlos. Nicht einmal bei den mürrischen Voyageurs und den verachtungsvollen Indianern hatte sein Wort Gewicht. Wie hätte er da den eigensinnigen Hood und den aufbrausenden Back bändigen sollen?
Beide Seekadetten waren Künstler und Kartographen. Seitdem traute Franklin keinem Künstler mehr über den Weg. In Paris, während ein Bildhauer Lady Janes Hände modellierte, und auch hier in London, als einen Monat lang dieser parfümierte Geck erschien, um ihr offizielles Porträt in Öl zu malen, hatte er sie keine Sekunde mit
Weitere Kostenlose Bücher