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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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bekleideten: James Reid, der Eislotse der Erebus , Thomas Blanky, der Eislotse der Terror , sowie die Ärzte, der Zahl- und der Proviantmeister.
    Sir John kam hervorragend zur Geltung in seinem neuen blauen Frack, den blauen Hosen mit den goldenen Streifen, den Epauletten mit goldenen Fransen, dem Zeremonienschwert und dem Dreispitz aus der Nelson-Ära. Der Commander seines Flaggschiffs Erebus , James Fitzjames, der oft als der stattlichste Mann der Royal Navy bezeichnet wurde, sah so blendend und zugleich bescheiden aus, wie es sich für einen Kriegshelden gehörte, und nahm an diesem Abend alle Gäste für sich ein. Francis Crozier hingegen wirkte wie immer steif, unbeholfen, melancholisch und leicht betrunken.
    Aber Jane hatte unrecht: die Mitglieder des »Arktischen Rats« waren nicht Sir Johns Freunde. Offiziell existierte der Arktische Rat gar nicht. Er war mehr eine Ehrengesellschaft als eine reale Institution, dafür jedoch der elitärste Club von ganz England.
    Bei dem Empfang mischten sich Franklin und seine Offiziere unter die finster dreinblickenden, grauhaarigen Mitglieder des sagenumwobenen Arktischen Rats.
    Um in diese ehrenwerte Gesellschaft Aufnahme zu finden, musste man eine Expedition in den fernsten arktischen Norden befehligen … und überleben.
    Viscount Melville – der erste Würdenträger in einer langen Reihe von Gastgebern, die Franklin auf eine für ihn völlig ungewohnte Art ins Schwitzen brachten und ihm die Sprache raubten – war der Erste Lord der Admiralität und, wenn auch selbst kein alter Arktisfuchs, so doch der Förderer des großen Expeditionsförderers John Barrow.

    Die wirklich legendären, zumeist schon über siebzigjährigen Gestalten des Arktischen Rats hatten für den nervösen Franklin an diesem Abend mehr Ähnlichkeit mit dem Hexenzirkel aus »Macbeth« oder einem Schwarm grauer Geister als mit realen Menschen. Jeder einzelne dieser Männer war, was die Suche nach der Nordwestpassage betraf, ein Vorgänger Franklins, und jeder war lebend, wenn auch nicht ganz lebendig zurückgekehrt.
    Konnte man, so fragte sich Franklin, nach dem Überwintern in arktischen Regionen denn wirklich lebend zurückkehren?
    Sir John Ross, dessen schottisch geprägte Züge mehr scharfe Schliffflächen aufwiesen als ein Eisberg, hatte Augenbrauen, die vorsprangen wie die Halsfedern jener Pinguine, die sein Neffe Sir James Clark Ross nach seiner Reise in die Antarktis beschrieben hatte. Ross’ Stimme glich einem Scheuerstein, der über ein splitteriges Deck schabt.
    Sir John Barrow, älter als Gott und doppelt so mächtig. Der Urvater jeder ernsthaften britischen Arktisforschung. Alle anderen Anwesenden an diesem Abend, selbst die weißhaarigen Siebzigjährigen, waren nur Jungen … Barrows Jungen.
    Sir William Parry, der selbst unter Mitgliedern des Königshauses zu den Vornehmsten der Vornehmen zählte, hatte sich viermal an der Erzwingung der Passage versucht und erleben müssen, wie seine Männer starben und seine Fury vom Eis zermalmt wurde und sank.
    Sir James Clark Ross, erst seit kurzem Ritter und verheiratet mit einer Frau, die ihm das Versprechen abgenommen hatte, keine Expeditionen mehr zu unternehmen. Wenn er gewollt hätte, hätte er Franklins Stelle als Befehlshaber dieser Expedition beanspruchen können, und beide wussten das. Ross und Crozier standen ein wenig abseits von den anderen, an ihren Gläsern nippend und in ein leises Gespräch vertieft wie Verschwörer.
    Der verteufelte Sir John Back; Franklin musste seinen Titel doch tatsächlich mit einem Mann teilen, der einst als Seekadett
unter ihm gedient hatte und noch dazu ein Schürzenjäger war. An diesem Galaabend wünschte sich Sir John Franklin fast, Hepburn hätte vor fünfundzwanzig Jahren Pulver und Kugeln in den Duellpistolen belassen. Back war das jüngste Mitglied des Arktischen Rats. Und obwohl bei seiner letzten Expedition die HMS Terror arg gelitten hatte und um ein Haar gesunken wäre, wirkte er zufriedener und eingebildeter als alle anderen.
    Kapitän John Franklin war Abstinenzler, doch die anderen Männer wurden nach drei Stunden Sekt, Wein, Weinbrand, Sherry und Whiskey allmählich immer ungezwungener. Das Lachen um ihn herum klang lauter und die Unterhaltung in dem großen Saal insgesamt weniger förmlich. Selbst Franklin entspannte sich schließlich, als ihm klar wurde, dass dieser ganze Empfang, all die goldenen Knöpfe, Seidenkrawatten, glänzenden Epauletten, all die feinen Speisen, Zigarren und

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