Terrorist
genug, um ihren Job zu machen und zu sterben. Um zu essen, zu schlafen, zu vögeln, Babys zu kriegen und zu sterben.»
«Jack, alles, was du sagst, ist deprimierend. Deswegen bist du so traurig.»
«Ich sage nur, dass junge Leute wie Ahmed ein Bedürfnis nach etwas haben, was sie von der Gesellschaft nicht mehr bekommen. Die Gesellschaft lässt sie nicht mehr unschuldig sein. Die verrückten Araber haben Recht: Hedonismus, Nihilismus – sonst haben wir nichts zu bieten. Hör dir doch nur die Texte dieser Rockstars und Rapper an – die selbst noch Kids sind, wenn auch Kids mit gerissenen Agenten. Kids müssen mehr Entscheidungen treffen als früher, weil die Erwachsenen ihnen nicht sagen können, was sie tun sollen. Wir wissen eben nicht, was einer tun sollte, wir haben nicht mehr wie früher Antworten parat; wir wursteln uns bloß weiter durch und versuchen, nicht nachzudenken. Niemand erklärt sich für verantwortlich, und darum nehmen die Kids, manche jedenfalls, die Verantwortung auf sich. Sogar an einer Müllhalde wie Central High, wo schon die demographischen Daten sämtlichen Schülern die Aussichten verbauen, ist das zu beobachten – der Wunsch, das Richtige zu tun, gut zu sein, sich für irgendetwas zu engagieren: für die Armee, die Marschkapelle, die Gang, den Chor, die Schülervertretung, sogar für die Pfadfinder. Nun wollen, wie sich herausstellt, die Pfadfinderführer, die Priester den Kids nur an die Wäsche, aber die Kids gehen trotzdem weiter hin, weil sie hoffen, irgendeinen Rat, eine Anleitung zu erhalten. Wenn du auf den Fluren ihre Gesichter siehst, bricht dir das Herz, so voller Hoffnung sind sie, so gut wollen sie sein, so dringend anderen etwas bedeuten. Sie erwarten etwas von sich. Wir sind hier in Amerika, wo wir alle etwas erwarten, sogar die Soziopathen haben auf ihre Art eine hohe Meinung von sich. Weißt du, was aus den schlimmsten Disziplinarfällen schließlich wird? Sie werden am Ende Polizisten und High-School-Lehrer. Sie wollen der Gesellschaft gefallen, obwohl sie das Gegenteil behaupten. Sie möchten sich gern als wertvoll erweisen – wenn wir ihnen nur sagen könnten, was wertvoll ist.» Hastig und rau hat er seinen Redeschwall tief aus seiner behaarten Brust hervorgeknarzt, doch jetzt gerät er ins Schlingern: «Oh, Mist – vergiss, was ich gerade gesagt habe. Die Priester und Pfadfinderführer wollen ihnen nicht nur an die Wäsche; sie wollen auch selbst gute Menschen sein. Aber das können sie nicht, die kleinen Jungenpopos sind einfach zu verlockend. Terry, sag mal: Warum schwafle ich eigentlich so lange?»
Der Umschwung in ihr lässt sie sagen: «Vielleicht, weil du spürst, dass dies deine letzte Chance ist.»
«Meine letzte Chance zu was?»
«Dich mir mitzuteilen.»
«Was willst du damit sagen?»
«Jack, es geht nicht. Es tut deiner Ehe nicht gut und mir auch nicht. Anfangs war das anders. Du bist ein prima Kerl – nur nicht für mich. Im Vergleich zu manchen von den Ärschen, mit denen ich’s zu tun hatte, bist du ein Heiliger. Das mein ich ernst. Aber ich muss mit der Realität zurechtkommen, ich muss an meine Zukunft denken. Ahmed ist bereits aus dem Haus – das Einzige, was er noch von mir braucht, ist etwas zu essen im Kühlschrank.»
«Ich brauche dich, Terry.»
«Einerseits ja, andererseits nein. Meine Malerei ist für dich das Letzte –»
«Aber nein! Ich finde deine Malerei wundervoll. Ich finde es wundervoll, dass du diese weitere Dimension besitzt. Ja, wenn Beth –»
«Wenn Beth noch eine weitere Dimension hätte, dann würde sie durch den Fußboden krachen.» Lachend setzt sie sich im Bett auf, und ihre Brüste hüpfen unter dem Betttuch hervor, zum Hals hin gesprenkelt, in der Partie mit den Brustwarzen von der Sonne unberührt, egal wie viele andere Männer dort schon Hand und Mund angelegt haben.
Das Irische an ihr, denkt Jack. Das ist es, was er liebt, worauf er nicht verzichten kann. Dieses Unverschämte, den trotzigen Funken Verrücktheit, den Menschen an sich haben, auf denen lang genug herumgeritten worden ist – die Iren haben es, die Schwarzen und die Juden haben es, nur in ihm ist es abgestorben. Er wollte einmal Komiker werden, ist aber zum humorlosen Vollstreckungsgehilfen eines Systems geworden, das an sich selbst nicht glaubt. Mit jedem Morgen, an dem er zu früh wach geworden ist, hat er sich Zeit zum Sterben gegeben. Lerne in deiner Freizeit sterben. Was hat Emerson noch über das Totsein gesagt? Dann bist du wenigstens
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