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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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dabei finden, zwei Riesen für eine Sitzgruppe in Anilinleder hinzublättern oder drei für, sagen wir mal, ein stilvolles Esszimmer mit passender Nippesvitrine, alles in Eiche, Handarbeit. Die Art von Ware läuft zur Zeit; das hatten wir noch nie. Früher haben wir bei einer Nachlassauflösung das rare Stück von Wert eben mit übernommen, und dann stand es jahrelang bei uns herum. Sogar im armen, alten New Prospect gibt’s jetzt neuen Reichtum.»
    «Gut, dass die Geschäfte laufen», sagt Ahmed vorsichtig. Um sich Charlies optimistischer Laune anzupassen, riskiert er noch eine weitere Bemerkung: «Vielleicht erwarten die neuen Kunden ja, dass sie in ihren Polstern einen versteckten Rabatt vorfinden.»
    Charlies Profil lässt nicht erkennen, dass er einen Scherz vernommen hat. Sein Tonfall bleibt beiläufig. «Wir haben unsere Auszahlungen erst einmal abgeschlossen. Onkel Maurice ist nach Miami abgereist. Jetzt sind wir diejenigen, die auf die Lieferung warten.» Nicht mehr ganz so beiläufig fragt er: «Medizinmann, du redest doch mit keinem über deinen Job hier, oder? Im Einzelnen, meine ich. Hat dich mal jemand darüber ausgefragt? Deine Mutter zum Beispiel? Einer von den Typen, mit denen sie ausgeht?»
    «Meine Mutter ist so mit sich selbst beschäftigt, dass mir Neugier von ihrer Seite ziemlich erspart bleibt. Für sie ist’s eine Erleichterung, dass ich feste Arbeit habe und mich an unseren Kosten beteilige. Aber wir gehen in unserer Wohnung ein und aus wie Fremde.» Das stimmt nicht ganz, fällt ihm nun ein. Neulich abends, bei einem ungewöhnlich gut zubereiteten gemeinsamen Abendessen an dem alten runden Tisch, an dem er früher immer gelernt hat, hat sie ihn gefragt, ob ihm an dem Möbelhaus je etwas «faul» vorgekommen sei. Überhaupt nichts, lautete seine Antwort. Er ist dabei, das Lügen zu erlernen. Um Charlie gegenüber aufrichtig zu bleiben, erzählt er ihm: «Ich glaube, meine Mutter hat gerade wieder einmal eine Liebesenttäuschung hinter sich, denn neulich abends hat sie sich plötzlich auffällig für mich interessiert, als sei ihr wieder eingefallen, dass es mich gibt. Aber solche Stimmungen vergehen wieder. Wir haben uns noch nie gut verstanden. Die Abwesenheit meines Vaters stand zwischen uns und dann mein Glaube, zu dem ich gefunden habe, bevor ich dreizehn war. Sie ist eine warmherzige Frau und kümmert sich bestimmt gut um ihre Krankenhauspatienten, aber ich glaube, zum Muttersein hat sie so wenig Talent wie eine Katze. Katzen lassen die Jungen eine Zeit lang nuckeln und behandeln sie dann wie Feinde. Ich bin noch nicht ganz so erwachsen, dass meine Mutter mich als Feind betrachtet, aber sie hält mich doch für so erwachsen, dass sie mir mit Gleichgültigkeit begegnen kann.»
    «Wie findet sie es denn, dass du keine Freundin hast?»
    «Ich glaube, sie ist höchstens erleichtert darüber. Wenn jemand eine Bindung zu mir hätte, würde ihr eigenes Leben dadurch komplizierter. Eine andere Frau, und wäre sie noch so jung, könnte anfangen, über sie zu urteilen und gewisse konventionelle Verhaltensmaßstäbe anlegen.»
    Charlie unterbricht ihn: «Gleich kommt eine Abzweigung nach links – nicht an dieser Ampel, glaub ich, aber an der nächsten –, da biegen wir auf Route 512 Richtung Summit ab, wo wir die zimtfarben lackierte Essecke abliefern. Dann bist du also noch unberührt?» Er versteht Ahmeds Schweigen als Bestätigung und sagt: «Gut.» Sein Profil weist wieder Lächelgrübchen auf. Ahmed ist so daran gewöhnt, Charlie im Profil zu sehen, dass er zusammenzuckt, als sein Beifahrer sich ihm im Halbdunkel der Fahrerkabine kurz zukehrt und ihm beide Gesichtshälften zeigt. Dann wendet Charlie den Blick wieder den wechselnden Ampeln vor der Windschutzscheibe zu. «Du hast schon Recht, was die westliche Werbung betrifft», sagt er und nimmt einen alten Gesprächsfaden wieder auf. «Sex wird in den Vordergrund gerückt, weil er Konsum bedeutet. Erst der Alkohol und die Blumen, die fällig werden, wenn zwei sich kennen lernen, und danach das Kinderkriegen und was deswegen so alles gekauft wird, Babynahrung, Geländewagen und –»
    «Essecken», ergänzt Ahmed.
    Wenn Charlie einmal nicht scherzt, ist er so ernst, dass er einen dazu herausfordert, ihn zu necken. Sein eines, im Profil sichtbares Auge blinzelt, und der Mund verzieht sich, als hätte er auf eine saure Wahrheit gebissen. «Ein größeres Haus, wollte ich sagen. Diese jungen Paare kaufen und kaufen und verschulden sich immer

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