Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
verschwunden. Ihm und seinem Bruder gehört ein DiscountMöbelhaus im Norden von New Jersey, aber da geht keiner ans Telefon, und niemand kommt an die Tür. Wir wissen etwas über einen Lastwagen, aber nicht, wo der steckt und wer ihn fährt. Das Sprengstoff-Team besteht aus vier Leuten, zwei davon haben wir, aber die reden nicht, oder der Dolmetscher sagt uns nicht, was sie sagen. Alle decken sie einander, sogar die, die auf unserer Gehaltsliste stehen – nicht mal den eigenen Rekruten kann man mehr trauen. Das Ganze ist ein grauenhafter Schlamassel, und wie nicht anders zu erwarten, muss die Leiche auch noch an einem Sonntagmorgen auftauchen!»
    Don, wo sie beide herkommen, in Pennsylvania, kann man den Leuten vertrauen, so viel weiß Hermione. Ein Dollar ist dort noch ein Dollar, eine Mahlzeit eine Mahlzeit, eine Abmachung eine Abmachung. Rocky sieht so aus, wie ein Boxer aussehen sollte, und unehrliche Männer rauchen Zigarren, tragen karierte Anzüge und blinzeln viel. Sie und der Minister haben sich weit entfernt von diesem reinen Land der herzerwärmenden Ehrlichkeit, der Reihenhäuser, deren Hausnummern in das farbige Glas der immer gleichen Lünetten über den Türen eingelassen sind, dem Land der Bergarbeitersöhne, die als Quarterbacks zu Stars werden, der im eigenen Fett brutzelnden Schweins wurste und mit Ahornsirup übergossenen Fleischpasteten – Gerichte, die keinen Hehl daraus machen, dass sie Cholesterinbomben sind. Hermione verzehrt sich danach, den Minister zu trösten, ihren mageren Körper als heilende Packung auf die Schwäre überwältigender Verantwortung zu legen, die ihn so schmerzt; sie möchte sein kerniges Gewicht, das ihm den zwingend vorgeschriebenen schwarzen Anzug ausbeult, auf ihr knochiges Gestell ziehen und ihn auf ihrem Becken wiegen. Stattdessen fragt sie: «Wo liegt denn das Möbelhaus?»
    «In einer Stadt namens New Prospect. Kein Mensch kommt da je hin.»
    «Meine Schwester wohnt dort.»
    «So? Sie sollte sich davonmachen. Es wimmelt dort nur so von Arabern – Araboamerikanern, sagt man jetzt. Die alten Fabrikbetriebe haben sie ins Land geholt und sind dann eingegangen, einer nach dem anderen. So, wie’s jetzt aussieht, produziert Amerika bald gar nichts mehr. Außer Filmen, und die werden von Jahr zu Jahr beschissener. Was waren meine Frau und ich – Sie haben Grace doch kennen gelernt, oder? – früher filmbegeistert, ständig sind wir ins Kino gegangen, bevor die Kinder kamen und wir Babysitter brauchten. Judy Garland, Kirk Douglas – die haben noch gute, ehrliche Leistungen für ihr Geld geboten, in jeder Rolle, zu hundert Prozent. Was man jetzt so von diesen blutjungen Darstellern hört – die Frauen wollen ja nicht mehr als Filmschauspielerinnen bezeichnet werden, jeder ist jetzt Darsteller – , ist immer nur Trunkenheit am Steuer und die nächste uneheliche Schwangerschaft. Damit bringen sie diesen armen schwarzen Mädchen bei, dass es ganz was Tolles ist, ein Baby in die Welt zu setzen ohne einen Vater – außer Onkel Sam. Der kriegt dann zwar die Rechnungen, aber keinen Dank: Sie haben schließlich ein Recht auf Stütze. Wenn dieses Land irgendeinen Fehler hat – und ich behaupte nicht einmal, dass es ihn hat, verglichen mit sämtlichen anderen, Frankreich und Norwegen eingeschlossen –, dann den: Wir haben zu viele Rechte und zu wenig Pflichten. Wenn die arabische Liga erst das Land übernimmt, dann werden die Leute schon lernen, was Pflichten sind.»
    «Vollkommen richtig, Sir.» Das «Sir» soll ihn an sich selbst erinnern, an seine Pflichten in der augenblicklichen Ausnahmesituation.
    Er hat es vernommen. In übellauniger Versonnenheit wendet er sich wieder dem Anblick der Hauptstadt in ihrer Sonntagsruhe zu, der Aussicht auf das Tidebecken in der Ferne und auf den glatten weißen Knubbel des Jefferson Memorial, ein Observatorium ohne die Öffnung für das Fernrohr. Heute wirft man Jefferson vor, dass er an seinen Sklaven festhielt und mit einer seiner Sklavinnen Kinder zeugte, nur vergessen die Leute die ökonomischen Zusammenhänge zur damaligen Zeit und die Tatsache, dass Sally Hemmings sehr hellhäutig war. Eine herzlose Stadt, denkt der Minister, ein Geflecht aus leicht entgleitenden Machtbefugnissen, ein Feld, aus dem versprengt weiße Prachtgebäude aufragen wie die Eisberge, inmitten deren die Titanic gesunken ist. Er dreht sich um und erklärt seiner Unterstaatssekretärin: «Wenn diese Sache in New Jersey hochgeht, gibt’s für mich keine

Weitere Kostenlose Bücher