Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
und halten dann jäh inne, nachdenklich, wie es scheint, als suche der Käfer nach einem Ausweg aus seiner misslichen Lage. Wo ist dieser Käfer hergekommen?, fragt sich Ahmed. Wie ist er hier hingefallen, wo er seine Flügel anscheinend nicht gebrauchen kann? Der Kampf beginnt von neuem. Wie präzise doch die Schatten seiner Beine sind, wie getreu und mit allumfassender Liebe geworfen von Lichtquanten, die dreiundneunzig Millionen Meilen bis zu exakt diesem Punkt hier zurückgelegt haben!
    Ahmed erhebt sich von der derben Holzstufe, steht nun wie ein Gebieter über dem Insekt und fühlt sich riesengroß. Und doch scheut er davor zurück, dieses mysteriöse, abgestürzte bisschen Leben zu berühren. Vielleicht ist sein Biss giftig, oder es wird sich, wie ein winziger Sendbote der Hölle, an seinen Finger heften und nie mehr loslassen. Manch ein Junge – Tylenol zum Beispiel – würde dieses störende Wesen einfach zertreten, doch diese Möglichkeit besteht für Ahmed nicht: Eine breit getretene Leiche würde entstehen, ein wüster Matsch aus winzigen Körperteilen und ausgetretenen Lebenssäften, und er gedenkt keinesfalls, ein solches organisches Grauen anzurichten. Er sieht sich rasch nach einem Werkzeug um, nach etwas Steifem, womit er das Insekt umdrehen könnte – mit so einem kleinen, dunklen Pappstreifen zum Beispiel, durch den die beiden Teile eines Mounds-Riegels zu einer Einheit werden oder der eine Doppelpackung von Reese’s Peanut Butter Cup verstärkt –, sieht aber nichts Geeignetes. Excellency Wohnbedarf ist bemüht, sein Privatgelände abfallfrei zu halten. Die afroamerikanischen «Muskelpakete» und Ahmed selbst sind schon mit grünen Müllsäcken zum Ordnungschaffen hinausgeschickt worden. Einen zufällig umherliegenden Spatel entdeckt er nicht, hat jedoch plötzlich eine Eingebung und erinnert sich, dass sich in seinem Portemonnaie der Führerschein befindet, ein Plastikrechteck, in das ein mürrisches, unschmeichelhaftes Foto von ihm eingelassen ist, neben einigen numerischen Daten, die dem Staat New Jersey wichtig sind, sowie, als Fälschungen verhinderndes Hologramm, eine Abbildung des Großsiegels von New Jersey. Hiermit gelingt es ihm, nach ein paar zu zaghaften, zimperlichen Versuchen, das kleine, seiner Barmherzigkeit ausgelieferte Geschöpf herumzuschnippen und auf die Beine zu bringen. Die Sonne entlockt dem zweigestaltigcn Panzer aus gefalteten Flügeln schillernde, violette und grüne Funken. Ahmed begibt sich zu seinem Hochsitz auf der Treppe zurück, um sich an dem guten Ausgang seiner Rettung - seines barmherzigen Eingriffs in die natürliche Ordnung – zu erfreuen. Flieg davon; flieg davon.
    Doch der Käfer, dessen schimmernder Körper nun richtig herum auf seinen sechs Beinen über dem rauen Beton steht, kriecht nur einen Bruchteil seiner eigenen Länge weiter, dann rührt er sich nicht mehr. Suchend schwanken seine Fühler, dann stehen auch sie still. Für fünf Minuten, die wie eine Ewigkeit anmuten, schaut Ahmed hin. Er schiebt den Führerschein mit seinen gewichtigen chiffrierten Informationen wieder ins Portemonnaie. Außer Sichtweite sausen auf dem Reagan Boulevard Autos vorüber, aus denen RapMusik dröhnt; der Lärm schwillt an und verebbt. Ein Flugzeug, das in Newark gestartet ist, gewinnt rüttelnd an Höhe und steigt in den erstarrenden Himmel auf. Der Käfer, gepaart mit seinem kaum merklich schrumpfenden Schatten, bleibt still.
    Als er auf dem Rücken lag, hatte er im Todeskampf gelegen; nun ist er tot, und die Großmut, die er hinterlässt, ist nicht von dieser Welt. Was Ahmed da so sonderbar wie unter dem Vergrößerungsglas erlebt hat, war eine übernatürliche Erfahrung, dessen ist er sich sicher.

V
    Der Minister ist schlecht gelaunt, und seine getreue Unterstaatssekretärin leidet. Seine Launen durchdringen Hermione wie die Bugwelle eines Schnellboots eine dahinschwebende Qualle. Zunächst einmal hasst er es, wie sie weiß, an einem Sonntag ins Büro zu müssen; es unterbricht seine kostbaren Nachmittage der Muße mit Mrs. Haffenreffer und der Familie, sei es, dass sie einem SpätsaisonSpiel der Orioles oben in Baltimore gewidmet sind oder einem Bummel durch den Rock Creek Park, für welchen all die vielen Kinder laufsportlich gekleidet sind, bis auf das fünfte, jüngste, das mit seinen drei Jahren noch im Jogger-Buggy dahinsausen darf. Miss Fogel kann auf des Ministers Gattin und Familie unmöglich eifersüchtig sein; sie bekommt sie so gut wie nie zu

Weitere Kostenlose Bücher