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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Gesicht, und sie sind ein unsichtbarer Teil von ihm, wie die schicklich in seinem blauen Anzug und seinen Boxershorts verborgenen Partien. Im Geiste jedoch begleitet sie ihn manchmal und erträumt sich ein hausväterliches Wesen, lockerer, als es der angespannte Schattenkämpfer in seinem beengten Eckbüro ist. Hermione spürt sogleich, dass sich der Minister – nun, da die sumpfige Sommerhitze endlich gebrochen ist und die Erlen und Platanen um die Mall auf ihren breiten Blättern Anzeichen von würdevoller Ermattung aufweisen –, hinaus ins Freie sehnt. Die gespannte Wölbung auf dem Rücken seines sehr dunklen Anzugjacketts verrät es ihr. Früher trugen Männer zu amerikanischen Tätigkeiten blaue oder braune Anzüge – als sie an der Pleasant Street wohnten, pflegte sich Daddy eine geschlagene Woche lang in demselben braunen Nadelstreifenanzug mit Weste aus dem Haus und zur Tram zu begeben –, heute jedoch ist der einzige seriöse Farbton schwarz oder ein nahezu schwarzes Marineblau, Zeichen der Trauer um die verflossenen Zeiten wohlfeiler Freiheit.
    In letzter Zeit haben ihn die banalen, gleichwohl von den Medien hochgespielten Sicherheitslücken an Flughäfen aufgebracht. Anscheinend kann jeder schmierige Reporter und schlagzeilengeile demokratische Abgeordnete, der will, triumphierend Messer, Totschläger und geladene Revolver schwenken, die erfolgreich die Handgepäckscanner passiert haben. Sie beide, Minister und Unterstaatssekretärin, haben Schulter an Schulter hinter dem Sicherheitspersonal gestanden und sich langsam von der endlosen Prozession geisterhafter Kofferinnereien hypnotisieren lassen, die in unwirklichen Farben aufleuchteten – in Cyangrüns, Pfirsich- und Hauttönen, Sonnenuntergangslilas und dem verräterischen Mitternachtsblau von Metall. Auto- und Hausschlüsselbünde mit ihren Ringen, Kettchen und Souveniranhängern, die sich wie Spielkarten auffächerten; stahlgerahmte Brillen, die leer und unverfroren aus Stoffetuis glotzten; Reißverschlüsse wie die Skelette kleiner Schlangen; blasige Klumpen von Münzen, in Hosentaschen vergessen; Sternbilder von Gold- und Silberschmuck; die duftigen Reihen der Ösen in Sneakers und Schuhen; die winzigen Metallknöpfe und -zahnräder von Reiseweckern; Haartrockner, elektrische Rasierapparate, Walkmans, Miniaturkameras: Alle tragen sie ihre tiefblauen Kieselalgenstrukturen zum fahlen, bleichen Wust der abgelenkten Kathodenstrahlen bei. Kein Wunder, dass gefährliche Waffen immer wieder Blicken entgehen, die vom achtstündigen Entziffern zweidimensionaler Bilder dicht gedrängter Reiseausstattungen getrübt sind, von der unaufhörlichen Suche nach dem Tumor des Bösen, den plötzlich auftauchenden Umrissen tödlicher Absichten in einem Strom von alltäglich-harmlosen amerikanischen Leben, auf ihre Kernelemente komprimiert – das Rüstzeug, das man für einen Aufenthalt von ein paar Tagen in einer anderen Stadt oder einem anderen Staat gemäß jenen materialistischen Vorstellungen von Komfort benötigt, die weltweit zu unserer abnormen Norm geworden sind. Eine Nagelschere oder Stricknadeln – während diese geortet und konfisziert werden, passieren zehn Zentimeter lange Messer, als von der Seite gesehene Schuhgelenke verkannt, die Kontrolle, und eine vorwiegend aus Plastik bestehende kleine Pistole schlüpft durch, mit Klebeband in einem Zinnnapf verstaut, der, wenn seine dunkle Scheibensilhouette Nachfragen auslöst, als Geschenk für ein Baby ausgegeben wird, das morgen in Des Moines getauft werden soll. Stets endet die Inspektion, notgedrungen, damit, dass der Minister den unterbezahlten Wachhunden auf die uniformierten Schultern klopft und «Weiter so» zu ihnen sagt; sie verteidigen die Demokratie.
    Er kehrt seinen schwarzen Anzug von dem strahlend hellen Ausblick auf die Ellipse und die Mall ab, auf die durchtrampelten Gefilde, wo sie grasen, die Schafe von Bürgern in ihren Jogginganzügen, polychromen Shorts und Laufschuhen, deren Form an die Raumschiffe in den Comics der dreißiger Jahre gemahnt. «Ich frage mich», vertraut er Hermione an, «ob wir die Alarmstufe für die mittlere Atlantikregion nicht wieder auf Orange hochsetzen sollten.»
    «Verzeihen Sie, Sir», sagt sie, «ich spreche gelegentlich mit meiner Schwester in New Jersey, und ich bin mir nicht so sicher, ob die Leute da eigentlich wissen, wie sie sich anders verhalten sollen, wenn die Alarmstufe erhöht wird.»
    Hierauf malmt der Minister mit seinen kräftigen,

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