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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Funken sprühenden Girlanden aus schimmernden Dreiecken und langsam kreiselnden Bandspiralen umgeben sind. Aufmerksamkeitsmagnete einer neuen Generation, jüngste Schöpfungen der Technologie, sind diese eigentümlich lebensähnlich unterteilten Plastikschläuche, die, wenn sie von unten mit Luft voll geblasen werden, ihre Arme schwenken und voller Pein vor- und zurückrucken, in unentwegt anlockender Aufgeregtheit die Vorüberfahrenden anflehen, auf das Gelände abzubiegen und ein Auto zu kaufen oder, wenn die Dinger vor einem IHOP stehen, eine Großportion Pancakes. Ahmed, die einzige Person, die auf diesem Teilstück des Reagan Boulevard zu Fuß unterwegs ist, begegnet einem solchen Schlauchriesen, doppelt so groß wie er, einem hysterisch gestikulierenden grünen Geist mit starrem glupschäugigem Lächeln. Als der einsame Fußgänger wachsam daran vorübergeht, spürt er auf dem Gesicht und an den Knöcheln die heiße Luft, die dieses beharrlich fordernde, gequälte, grinsende Monster lebendig erscheinen lässt. Gott macht lebendig, denkt Ahmed, und lässt sterben.
    An der nächsten Ampel überquert er den Boulevard. Mit langen Schritten folgt er der Sixteenth Street in Richtung auf die West Main zu, durch ein vorwiegend schwarzes Viertel, ähnlich demjenigen, durch das er damals Joryleen nach Hause begleitet hat, nachdem er sie in der Kirche hatte singen hören. Wie weit sich doch ihr Mund geöffnet hatte, wie milchig-rosig es darin schimmerte. Damals oben im Möbelhaus, zwischen all den dicht an dicht stehenden Betten – vielleicht hätte er sich doch von ihr blasen lassen sollen, wie sie es angeboten hatte. Weniger Schweinerei, hatte sie gesagt. Alle Mädchen, nicht nur Nutten, lernen das jetzt, in der Schule wurde ständig grob und obszön davon geredet, welche Mädchen dazu bereit waren und welche sagten, sie schluckten es gern runter. Darum haltet euch während der Menstruation von den Frauen fern, und kommt ihnen nicht nahe, bis sie rein sind! Wenn sie sich dann gereinigt haben, dann geht zu ihnen, so wie Gott es euch befohlen hat! Gott liebt die Bußfertigen. Und er liebt die, die sich reinigen.
    Als Ahmed dahingeht, mit raschen Schritten, Fuß vor Fuß, in Schwarz und Weiß, und doch mit dem lässigen, federnden Gang des gebürtigen Amerikaners, sieht er das Schäbige auf den Straßen, den Fast-Food-Müll und das kaputte Plastikspielzeug, die ungestrichenen Treppenstufen und Veranden, noch dunkel von der Feuchtigkeit des Morgens, die geborstenen, nicht reparierten Fenster. Die Bordsteine sind von amerikanischen Autos des letzten Jahrhunderts gesäumt, größer, als sie je hätten sein müssen, und nun verfallend; mit gesprungenen Rücklichtern, ohne Radkappen und mit platten Reifen stehen sie in der Gosse. Frauenstimmen erheben in Hinterzimmern gnadenlos Klage gegen Kinder, die unerwünscht geboren wurden und sich nun, vernachlässigt, um die einzigen freundlichen Stimmen in ihrer Hörweite scharen, die aus dem Fernsehgerät. Die zanj aus der Karibik oder von den Kapverdischen Inseln pflanzen Blumen, streichen ihre Veranden und schöpfen Hoffnung und Energie daraus, dass sie sich in Amerika befinden; diejenigen aber, die Generation auf Generation hier geboren sind, nehmen Schmutz und Faulheit hin, aus Protest – ein Protest von Sklaven, der nun als Lust am Niedergang fortbesteht und das Gebot aller Religionen, sich rein zu halten, missachtet. Ahmed ist rein. Seine kalte Dusche am Morgen besteht als leuchtende zweite Haut unter seinen Kleidern fort, ein Vorgeschmack der großen Reinigung, der er entgegeneilt. Zehn vor acht, sagt ihm seine Uhr.
    Er geht rasch, ohne zu rennen. Er darf keine Aufmerksamkeit erregen, er muss ungesehen durch die Stadt gleiten. Später würden die CNN- Berichte folgen, den Nahen Osten mit Jubel erfüllen und die Tyrannen in ihren prächtigen Büros in Washington zum Zittern bringen. Vorerst hängt das Zittern, die Mission noch von ihm ab, ist sein Geheimnis, seine Aufgabe. Er erinnert sich an seine Zeit als Läufer, wie er sich hingekauert und die nackten Arme locker geschüttelt hat, in Erwartung des Schusses aus der Starterpistole und des Moments, in dem sich das Knäuel von Jungen vorwärts entflechten würde, unter dem Geprassel sich wütend abstoßender Füße auf der veralteten Aschenbahn von Central High; und bis sein Körper die Herrschaft übernahm und sein Gehirn sich in Adrenalin auflöste, war er nervöser gewesen als jetzt, denn was er jetzt tut, liegt in Gottes

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