Terrorist
gewesen. Wasser aus dem Felsen von Horeb war ein anderes Zeichen gewesen. Die Stimme aus dem brennenden Dornbusch war ein eindeutiges Zeichen gewesen. Die Wolkensäulen bei Tag und die Feuersäulen bei Nacht waren weitere Zeichen gewesen. Zeichen über Zeichen, rund um die Uhr, nonstop, wie man heute sagt.
Und doch fehlte den Leuten der Glaube. Sie wollten zurück nach Ägypten und zu dem guten Pharao. Sie zogen den Teufel, den sie kannten, dem Gott vor, den sie nicht kannten. Das Goldene Kalb reizte sie noch immer. Es machte ihnen nichts aus, wieder zu Sklaven zu werden. Sie wollten ihre Bürgerrechte aufgeben. Sie wollten ihre Sorgen vergessen, indem sie Drogen nahmen und sich Samstagabends unzüchtig aufführten. Der gütige Herr sagt: ‹Ich kann dieses Volk nicht ertragen.‹ Diesen Stamm Israel. Und wie nebenbei fragt er Moses und Aaron: ‹Wie lange soll das mit dieser bösen Gemeinde so weitergehen, die immer über mich murrt?› Er wartet die Antwort nicht ab; er erteilt sie selbst. Er erschlägt sämtliche Kundschafter, außer Kaleb und Josua. Allen übrigen, der gesamten bösen Gemeinde verkündet er: ‹Hier in der Wüste sollen eure Leichen liegen bleiben.› Er verurteilt sie, alle, die zwanzig Jahre alt oder älter sind, zu vierzig Jahren in der Wüste: ‹Eure Söhne müssen vierzig Jahre lang ihr Vieh in der Wüste weiden lassen; sie haben so lange unter eurer Untreue zu leiden, bis ihr alle tot in der Wüste liegt.› Stellt euch das vor: vierzig Jahre, ohne Strafverkürzung bei guter Führung.» Er wiederholt: «Ohne Strafverkürzung bei guter Führung, denn ihr wart eine böse Gemeinde.»
Eine männliche Stimme aus der Gemeinde ruft: «Recht so, Reverend! Böse!»
«Keine Strafverkürzung, denn», fährt der christliche Imam fort, «euch hat der Glaube gefehlt. Der Glaube an die Macht Gottes des Allmächtigen. Das war eure Schuld – hört es euch genau an, dieses wunderbare alte Wort: ‹Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation.› Moses versucht, Gott zu erweichen; das Sprachrohr fleht seinen Auftraggeber an – ‹Verzeih also diesem Volk seine Sünde nach deiner großen Huld›, heißt es hier im Buch, ‹wie du diesem Volk auch schon bisher vergeben hast, von Ägypten bis hierher.» – ‹Kommt gar nicht infrage›, gibt der Herr zurück. ‹Ich bin das ewige Verzeihen leid, das von mir erwartet wird. Zur Abwechslung will ich mal ein bisschen Herrlichkeit erleben. Ich will eure Leichen in der Wüste sehen.›»
Ein wenig müde lässt sich der Prediger auf der Kanzel hängen und stützt die Ellbogen ungezwungen auf das dicke Buch mit dem Goldschnitt. «Meine Freunde», sagt er vertraulich, «jetzt seht ihr, worauf Moses hinauswollte. Was war denn daran schon so furchtbar, so –», er deutet ein Lächeln an, «schuldhaft, sich in Feindesland zu begeben, die Lage zu erkunden, heimzukehren und einen ehrlichen, vorsichtigen Bericht abzugeben? ‹Es sieht nicht gut aus. Diese Kanaaniter und Riesen haben ihre Milch und ihren Honig unter Verschluss. Wir halten uns da besser raus.› Klingt doch nur vernünftig, oder? ‹Kommt dem Mann nicht in die Quere. Ihm gehören die Aktien und die Anleihen, er kann die Peitsche schwingen und mit den Ketten rasseln, er verfügt über die Pro-duk- tiooons -mittel.›»
Mehrere Zurufe ertönen. «Richtig so. Vernünftig. Kommt dem bloß nicht quer.»
«Und um seinen Standpunkt zu unterstreichen, schickte der Herr Plagen und Seuchen, und die Leute trauerten und beschlossen zu spät, in die Berge hinaufzuziehen und den Kanaanitern, die ihnen jetzt nicht mehr gar so furchterregend vorkamen, entgegenzutreten, und Moses, das gute alte Sprachrohr, der schlaue Anwalt, riet ihnen: ‹Zieht nicht hinauf, denn der Herr ist nicht bei euch; ihr werdet von euren Feinden nur geschlagen werden.› Aber die verbohrten Israeliten zogen doch hinauf, und was lesen wir da im letzten Vers von Numeri vierzehn? ‹Da kamen die Amalekiter und die Kanaaniter, die dort im Gebirge wohnten, herunter und schlugen die Israeliten und zersprengten sie bis nach Horma.› – ‹Bis nach Horma›: Das ist weit. Bis nach Horma ist es sehr, sehr weit.
Ihr seht, meine Freunde, der Herr war doch bei ihnen. Er gab ihnen die Chance, mit ihm in seiner ganzen Herrlichkeit voranzuschreiten, und was taten sie? Sie zögerten. Sie übten Verrat an ihm mit ihrem Zögern – mit ihrer Vorsicht, ihrer Feigheit –, und Moses
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