Terrorist
jungen, hübschen Mutter in Ahmeds Reihe schimmern, bemerkt er.
Noch ist der Prediger mit ihnen nicht ganz fertig. «In wessen Herm?», fragt er und antwortet sich selbst, fast jungenhaft erregt. «In den Herm Abrahams.» Er holt Luft. «In den Herm Josuas.» Er holt erneut tief Luft. «In den Herm von König David.»
«In den Herm Jesu», fügt eine Stimme aus dem Hintergrund der alten Kirche hinzu.
«In den Herm Marias», ruft eine weibliche Stimme.
«In den Herm Batsebas», steuert kühn eine andere bei.
«In den Herm Zipporas», meldet sich eine dritte.
Der Prediger befindet, dass es an der Zeit ist, zum Schluss zu kommen. «In den Herm von uns allen», dröhnt er, dem Mikrophon so nah wie ein Rockstar. Mit einem weißen Taschentuch wischt er sich den Glanz von seinem hohen kahlen Kopf. Er ist von Schweiß benetzt. Sein gestärkter Kragen hat sich gewellt. Auf seine Heidenart hat er mit Teufeln gerungen, sogar mit Ahmeds Teufeln. «In den Herm von uns allen», wiederholt er mit Grabesstimme. «Amen.»
«Amen», sagen viele, erleichtert und ernüchtert. Stille tritt ein, und dann sind gedämpfte, geschäftige Schritte zu vernehmen. Vier Männer im Anzug schreiten, je zwei nebeneinander, den Mittelgang hinauf, um Holzschalen entgegenzunehmen, während sich der Chor unter mächtigem Geraschel erhebt und sich anschickt zu singen. Ein kleiner Mann im langen Gewand, der zum Ausgleich für seine Kleinwüchsigkeit sein krauses Haar zu einem hohen Helm hat wachsen lassen, hebt zum Zeichen der Bereitschaft die Arme, während die feierlichen Männer in pastellfarbenen Polyesteranzügen mit den Schalen, die ihnen der Prediger übergeben hat, ausschwärmen, zwei den Mittelgang hinab und zwei zu den Seitengängen. Sie erwarten, dass man ihnen Geld in die Schalen wirft, die mit rotem Filz ausgelegt sind, um das Klirren der Münzen zu dämpfen. Das in der Predigt unerwartete Wort unrein kommt Ahmed wieder in den Sinn; innerlich bebt er angesichts seines unreinen Eindringens in fremdes Terrain, bei dem er Zeuge davon wird, wie diese schwarzen Ungläubigen hier ihren Ungott verehren, ihren dreiköpfigen Götzen; es ist, wie Leute beim Sex zu beobachten, wie die rosigen Szenen, auf die sein Blick manchmal in der Schule gefallen ist, wenn er Jungen, die ihren Computer zweckentfremdeten, über die Schulter sah.
Abraham, Noah: Diese Namen sind Ahmed nicht völlig fremd. In der dritten Sure hat der Prophet versichert: Wir glauben an Gott und an das, was auf uns, und was auf Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und die Stämme Israels herabgesandt worden ist, und was Moses, Jesus und die Propheten von ihrem Herm erhalten haben, ohne dass wir bei einem von ihnen einen Unterschied machen.
Die Leute, die Ahmed hier umgeben, sind auf ihre Weise ebenfalls Leute der Schrift. Ihr Leute der Schrift! Warum glaubt ihr nicht an die Zeichen Gottes? Ihr Leute der Schrift! Weshalb haltet ihr Leute, die gläubig sind, vom Weg Gottes ab, indem ihr wünscht, dass er krumm sei, wo ihr doch Zeugen der göttlichen Wahrheit seid?
Die elektrische Orgel – gespielt von einem Mann, in dessen Nacken sich faltige Wülste stauen, als wollten sie ein weiteres Gesicht bilden – lässt erst ein paar Töne dahintröpfeln, dann bringt sie einen ganzen Schwall hervor, wie einen Guss eisigen Wassers. Der Chor, mit Joryleen in der vordersten Reihe, beginnt zu singen. Ahmed hat nur Augen für sie – wie weit sie den Mund auftut, wie rosig die Zunge darin ist hinter ihren kleinen runden Zähnen, die halb vergrabenen Perlen gleichen. «Welch einen Freund wir doch in Jesus haben», lauten, wenn Ahmed recht versteht, die ersten Worte, so schleppend intoniert, als müsse die Bürde des Liedes aus einem Keller des Leids hervorgezerrt werden. «Nimmt auf sich all unsere Sünden, unsern Gram!» Die Gemeinde hinter Ahmed begrüßt die Worte mit gejuchzten und gegrunzten Lauten des Einverständnisses: Man kennt dieses Lied, man liebt es. Vom Seitengang aus lässt ein feierlicher, auffällig großer Mann im zitronengelben Anzug die Kollektenschale, die in seiner knubbligen Pranke klein wie ein Untertasse wirkt, durch die Reihe wandern, in der Ahmed sitzt. Rasch reicht Ahmed sie weiter, ohne etwas hineinzutun; sie will ihm aus der Hand fliegen, so überraschend leicht ist das Holz, aber er schafft es, sie auf die Höhe des kleinen Mädchens neben ihm zu senken, das mit seinen braunen, gerade nicht mehr babyhaften Krabbelhändchen danach grapscht und sie weiterreicht. Die
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