Terrorist
und Aaron verrieten ihn, indem sie sich beeinflussen ließen, gerade so wie die Politiker, wenn sie die neusten Umfrageergebnisse erfahren – denn Meinungsforscher und Sprecher gab es auch damals schon, in der biblischen Zeit –, und dafür wurden sie, Moses und Aaron, daran gehindert, ins Gelobte Land zu ziehen, und mussten von dem Berg, auf dem sie standen, in das Land Kanaan hinüberschauen wie Kinder, die sich das Gesicht am Schaufenster des Bonbonladens platt drücken. Hinüber durften sie nicht. Sie waren unrein. Sie hatten versagt. Sie hatten es dem Herm nicht ermöglicht, durch sie zu handeln. Sie waren menschlich und hatten gute Absichten, aber nicht genügend Vertrauen in Gott. Gott ist vertrauenswürdig. Wenn er sagt, er wird das Unmögliche bewirken, dann tut er es auch – und man erklärt ihm nicht, dass er nicht dazu imstande ist.»
Ahmed merkt, dass er langsam ebenso erregt ist wie die übrigen Versammelten, die sich auf ihren Plätzen regen und vor sich hin murmeln, um sich von der Anstrengung zu erholen, die es kostet, jeder Wendung der Predigt zu folgen; selbst die kleinen Mädchen mit den vielen Zöpfchen auf der Bank neben ihm bewegen die Köpfe vor und zurück, wie um eine Verspannung im Nacken zu lösen, und eines von ihnen schaut zu Ahmed auf wie ein verschreckter Hund, der sich fragt, ob es wohl Sinn hat, dieses menschliche Wesen anzubetteln. Die Augen der Kleinen leuchten, als spiegele sich in ihnen ein Juwel wider, das sie in Ahmed entdeckt hat.
«Gottvertrauen!», verkündet der Prediger mit rauer Rhetorenstimme, griesig wie Kaffee mit zu viel Zucker darin. «Was ihnen fehlte, war Gottvertrauen. Darum waren sie eine böse Gemeinde. Darum wurden die Israeliten von Seuchen heimgesucht, von Schande und Niederlagen in der Schlacht. Abraham, der Vater des Stammes, hatte Gottvertrauen, als er das Messer hob, um Isaak zu opfern. Jona im Bauch des Wals hatte Vertrauen. Daniel in der Löwengrube hatte Gottvertrauen. Jesus am Kreuz hatte Gottvertrauen – er fragte den Herm, warum er ihn verlassen habe, doch mit dem nächsten Atemzug wandte er sich dem Dieb an dem Kreuz neben ihm zu und sagte zu dem Mann, zu einem Übeltäter: ‹Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.› Martin Luther King hatte Gottvertrauen, auf der Mall in Washington und in dem Hotel in Memphis, wo James Earl Ray ihn zum Märtyrer machte – er war dorthin gekommen, um die streikenden Müllarbeiter zu unterstützen, die Leute, die ganz unten stehen, die Unberührbaren, die unseren Abfall wegschleppen. Rosa Parks, in jenem Bus in Montgomery, Alabama – sie hatte Gottvertrauen.» Der Körper des Predigers lehnt sich vor, er wird größer, und seine Stimme wechselt die Tonfarbe – ihm ist ein neuer Gedanke gekommen. «Sie hat sich auf einen Platz vorne im Bus gesetzt», sagt er im Plauderton. «Genau das haben die Israeliten nicht getan. Sie hatten Angst, vorn im Bus Platz zu nehmen. Der Herr sagte zu ihnen: ‹Dort ist es, gleich hinter dem Fahrer, das Land Kanaan voller Milch und Honig, das ist euer Platz›, und sie sagten: ‹Nein, danke, Herr, es gefällt uns hinten im Bus. Da lassen wir ein bisschen die Würfel rollen, reichen unsere Flasche Four Roses herum, da haben wir unser Crack-Pfeifchen, unsere Heroinnadel, unsere minderjährigen cracksüchtigen Freundinnen, die uns unsere unehelichen Kinder gebären, die wir dann im Schuhkarton bei der Abfallbeseitigungs- und Wiederaufbereitungsanlage am Stadtrand abladen können – schick uns bloß nicht den Berg hinauf, Herr. Gegen die Riesen da kommen wir nicht an. Gegen Bull Connor und seine Polizeihunde kommen wir nicht an. Wir bleiben hinten im Bus, wo’s duster und gemütlich ist.›» Nun legt der Prediger die Maske ab und spricht wieder mit seiner eigenen Stimme: «Brüder und Schwestern, seid nicht wie sie. Sagt mir, was ihr braucht.»
«Vertrauen», kommt es, unsicher noch, aus ein paar Mündern.
«Lasst mich das nochmal hören, lauter. Was brauchen wir alle?»
«Vertrauen», ertönt es zur Antwort, geschlossener nun. Selbst Ahmed spricht das Wort, doch so, dass es keiner hören kann, außer dem kleinen Mädchen neben ihm.
«Schon besser, aber nicht laut genug. Was haben wir, Brüder und Schwestern?»
«Vertrauen! »
«Vertrauen in was? Lasst es mich so hören, dass die Kanaaniter in ihren großen Ziegenlederstiefeln erzittern!»
«Vertrauen in Gott!»
«Ja, o ja», setzen einzelne Stimmen hinzu. Hier und da schluchzt eine Frau. Die Wangen der noch
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