Terrorist
sie. «Unter den Johnsons tust du’s wohl nicht.»
«Unter den Johnsons?»
«Die Familie, neben der du gesessen hast. Das sind ganz wichtige Leute in der Gemeinde. Ihnen gehören Waschsalons in der City und drüben in Passaic. Schon mal was von der schwarzen Buur-schwaa-sie gehört? Schau dir nur die Johnsons an, dann weißt du, was das ist. Wo starrst du eigentlich hin, Ahmed?»
«Auf das kleine Ding da in deiner Nase. Das ist mir noch nie aufgefallen. Bloß die kleinen Ringe außen an deinem Ohr.»
«Der Stecker ist neu. Gefällt’s dir nicht? Tylenol findet es gut. Er kann’s kaum erwarten, dass ich mir einen in die Zunge setzen lasse.»
«Die Zunge willst du dir durchstechen lassen? Das ist ja grauenvoll, Joryleen.»
«Tylenol sagt, Gott liebt eine scharfe Frau. Und was sagt dein Mister Mohammed dazu?»
Ahmed hört den Spott heraus und kommt sich dennoch groß vor neben diesem kleinen, drallen Mädchen; an ihrem schelmisch funkelnden Gesicht vorbei sieht er auf die Wölbungen ihrer Brüste hinunter, die in dem weiten Ausschnitt einer frühlingshaften Bluse sichtbar werden, noch wie lasiert von der Aufregung und Anstrengung des Singens. «Er rät Frauen, ihre Reize zu verhüllen», erklärt er Joryleen. «Gute Frauen, sagt er, gehören zu guten Männern und unreine Frauen zu unreinen Männern.»
Ihre Augen werden größer, und sie blinzelt; dass er so gar nicht lächelt und so ernst spricht, nimmt sie als etwas hin, an das sie sich bei ihm gewöhnen muss. «Na, wo ich da hingehöre, weiß ich nicht so recht», sagt sie vergnügt. «Den Begriff Unreinheit haben sie damals ganz schön weit gefasst», setzt sie hinzu und streicht über eine feuchte Stelle an ihrer Schläfe, wo die Härchen so fein sind wie die des Schnurrbarts eines Jungen, bevor er daran denkt, mit dem Rasieren zu beginnen. «Wie hat dir denn mein Singen gefallen?»
Ahmed nimmt sich Zeit zum Nachdenken; schwatzende Gemeindemitglieder, für diese Woche ihrer Pflicht entledigt, schlendern vorüber, und das sprießende Laub der Robinie wirft schwache, fiedrige Schatten, wenn kurz die Sonne durchbricht. «Du hast eine herrliche Stimme», sagt Ahmed zu Joryleen. «Sie ist sehr rein. Nur die Art und Weise, wie sie eingesetzt wird, ist nicht rein. Das Singen, besonders das der sehr dicken Frau – »
«Eva-Marie», wirft Joryleen ein. «Sie ist Spitze. Sie gibt immer alles, darunter macht sie’s nicht.»
«Es kam mir sehr sinnlich vor, wie sie sang. Und vieles von dem Text habe ich nicht verstanden. Inwiefern ist Jesus für euch alle ein solcher Freund?»
«Welch ein Freund, welch ein Freund», hechelt Joryleen leichtsinnig, und ahmt damit nach, wie der Chor die Verse des Kirchenlieds zerhackt und dadurch auf die monotonen (wie Ahmed sie verstand) Bewegungen beim Geschlechtsverkehr angespielt hatte. «Das ist er nun mal», erklärt Joryleen. «Die Leute fühlen sich besser, wenn sie glauben, er ist immer für sie da. Wenn er sich nicht um sie kümmert, wer sonst, oder? Ist doch bei deinem Mohammed nicht anders, nehm ich mal an.»
«Der Prophet ist für seine Anhänger vieles, aber einen Freund nennen wir ihn nicht. So kuschlig geht es bei uns nicht zu.»
«Hey», sagt sie, «lassen wir das mal. Danke, dass du gekommen bist, Ahmed. Hätte ich nie gedacht.»
«Es war freundlich von dir, mich einzuladen, und ich war neugierig. Bis zu einem bestimmten Punkt ist es nützlich, den Feind zu kennen.»
«Den Feind? Oh Mann. Du hattest hier doch keine Feinde.»
«Mein Lehrer an der Moschee sagt, alle Ungläubigen sind unsere Feinde. Der Prophet hat gesagt, dass letztlich alle Ungläubigen vernichtet werden müssen.»
«Oh Mann. Wie bist du bloß so geworden? Du hast doch eine irische Mutter mit Sommersprossen, oder? Sagt Tylenol jedenfalls.»
«Tylenol, Tylenol. Wie nah, wenn ich fragen darf, stehst du diesem Ausbund von Weisheit eigentlich? Betrachtet er dich als seine Frau?»
«Ach, der probiert bloß dies und das aus. Um sich auf eine einzige Freundin festzulegen, dafür ist er zu jung. Gehen wir doch mal ein Stückchen weiter, wir fangen uns hier zu viele Blicke ein.»
Sie gehen am nördlichen Rand des Brachlands entlang, das seiner Bebauung harrt. Ein großes farbiges Schild zeigt ein dreistöckiges Parkhaus, das die Kauflustigen in die Innenstadt zurücklocken wird, doch seit zwei Jahren ist nichts gebaut worden, nur das zunehmend vollgekrakelte Schild steht da. Als die Sonne von Süden her über den neuen Glasgebäuden der City
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