Terrorist
gut.»
«Und wie ist das denn mit all den Jungfrauen im Jenseits? Wenn die ganzen jungen Märtyrer dort hinkommen, wo bleibt denn dann die Reinheit?»
«Als Tugendhafte genießen sie ihren Lohn und bleiben dabei, in dem von Gott geschaffenen Umfeld, rein. Mein Lehrer an der Moschee meint, die großäugigen Jungfrauen symbolisieren eine Seligkeit, die man sich ohne konkrete Bilder nicht vorstellen kann. Es ist typisch für den sexbesessenen Westen, dass er dieses Bild herausgegriffen hat, um den Islam ins Lächerliche zu ziehen.»
Sie gehen weiter in die Richtung, die Joryleen angegeben hat. Die Umgebung, durch die sie kommen, wird schäbiger; die Büsche sind nicht gestutzt, die Häuser nicht gestrichen, die Platten des Gehwegs sind an manchen Stellen von Baumwurzeln hochgestemmt worden oder sind gesprungen, die kleinen Vorgärten sind mit Abfall übersät. In den Häuserreihen klaffen gelegentlich, an ausgeschlagene Zähne mahnend, Lücken, die zwar abgezäunt sind, doch der dicke Maschendraht ist aufgeschnitten und verbogen unter dem unsichtbaren Druck von Leuten, die Zäune hassen, die rasch irgendwo hinwollen. Streckenweise gerinnen die Reihenhäuser an der Straße zu einem einzigen langen Gebäude mit vielen abblätternden Türen und je vier Stufen davor, alt und aus Holz oder neu und aus Beton. Über einem verhaken sich hohe Äste in den Leitungen, die durch die gesamte Stadt Strom fließen lassen, schlaffe Harfensaiten in Breschen, die Baumpflege-Teams gehauen haben. Die spärlichen Blüten und sich eben entfaltenden Blätter in Tönen zwischen Gelb und Grün wirken leuchtend vor dem schmutzig bewölkten Himmel.
«Ahmed», sagt Joryleen, auf einmal gereizt, «angenommen, das alles ist nicht wahr – angenommen, du stirbst und dann gibt es nichts mehr, absolut gar nichts? Was hat dir die ganze Reinheit dann gebracht?»
Bei der Vorstellung krampft sich ihm der Magen zusammen. «Wenn nichts von alldem wahr ist», sagt er, «dann ist die Welt zu furchtbar, als dass ich mich an sie klammern könnte, und ich würde sie ohne Bedauern verlassen.»
«Mann! Du bist vielleicht ein seltener Fall. In der Moschee, da müssen sie dich ja zu Tode lieben!»
«Es gibt viele wie mich», sagt er zu ihr, steif und sanft und ein wenig tadelnd. «Manche davon sind» – er will nicht «schwarz» sagen, denn das Wort ist zwar politisch korrekt, klingt aber nicht freundlich – «deine so genannten Brüder. Von der Moschee und dem Lehrer erfahren sie, was ihnen das christliche Amerika verächtlich vorenthält – Respekt und eine Herausforderung, die ihnen etwas abverlangt: Nüchternheit. Selbstbeherrschung. Amerika will von seinen Bürgern, wie dein Präsident gesagt hat, ja nur eins – dass wir kaufen. Dass wir Geld für törichten Luxus ausgeben und damit die Wirtschaft anheizen, in seinem eigenen Interesse und dem anderer reicher Männer.»
«Der ist nicht mein Präsident. Wenn ich in diesem Jahr schon wählen könnte, würde ich dafür stimmen, ihn rauszuschmeißen und durch AI Sharpton zu ersetzen.»
«Wer Präsident ist, ist gleichgültig. Alle wollen sie, dass die Amerikaner egoistisch und materialistisch bleiben, in der Konsumkultur mitspielen. Aber die menschliche Seele sehnt sich nach Selbstverleugnung. Sie sehnt sich danach, zu der physischen Welt zu sagen: ‹Nein›!»
«Du machst mir Angst, wenn du so redest. Es klingt, als würdest du das Leben hassen.» Und mit dem, was sie noch sagt, offenbart sie sich so freimütig, als sänge sie. «Für mein Empfinden kommt die Seele aus dem Körper, wie Blumen aus der Erde kommen. Wenn du deinen Körper hasst, hasst du dich selbst – die Knochen, das Blut, die Haut und die Scheiße, die dich zu dem machen, der du bist.»
Wie in dem Moment, als er über der gleißenden Spur des verschwundenen Wurms oder der Schnecke stand, fühlt Ahmed sich groß, schwindelerregend groß, während er auf das gedrungene, rundliche Mädchen hinunterblickt, dessen Stimme vor Empörung über sein Verlangen nach Reinheit so lebhaft und quirlig wird. Wo ihre Lippen die andere Haut ihres Gesichts berühren, ist eine schmale Linie, fast wie der Rand, den Kakao innen in einer Tasse zurücklässt. Er stellt sich vor, wie er sich in ihren Körper versenkt, und daran, wie satt und wohlig diese Vorstellung ist, erkennt Ahmed, dass der Teufel sie ihm eingegeben hat.
«Man soll den Körper nicht hassen», korrigiert er sie, «aber auch nicht dessen Sklave sein. Wenn ich mich umschaue, sehe ich
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