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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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im Falle sogenannter Glattraumtanks als bei solchen mit Schotten oder mit vollständig getrennten Kammern. Selbst bei solchen Tanks jedoch kann das Seitwärtsschwappen einen Laster, der eine Kurve zu eng nimmt, zum Umkippen bringen. Ein Schwappen in Längsrichtung kann den Laster an einer roten Ampel oder einem Stoppschild in den Verkehr hinausschieben. Dennoch sind Schotten nach den Hygienevorschriften untersagt bei Tanklastern, die Milch oder Fruchtsaft transportieren; Schotten erschweren das Säubern des Tanks, und Verunreinigungen sind die Folge. Das Transportwesen strotzt von Gefahren, die Ahmed noch nie bedacht hat. Gleichwohl findet er es aufregend, sich vorzustellen, wie er – gleich dem Piloten einer 727, dem Kapitän eines Supertankers oder dem winzigen Hirn eines Brontosaurus – ein mächtiges Fahrzeug durch den Dschungel grauenvoller Fährnisse in die Sicherheit steuert. Es freut ihn, in den Verordnungen zum Betrieb von Lkws auf Reinheitsvorschriften von beinahe religiöser Strenge zu stoßen.
    Jemand klopft an die Tür, abends um Viertel vor acht. Das Geräusch, so nah bei dem Tisch, an dem Ahmed im Schein einer verdellten Stehlampe die Broschüren studiert, reißt ihn jäh aus der Konzentration auf Schwappen und Fließen, Leckage und Tonnage. Flink taucht seine Mutter aus ihrem Zimmer auf, das auch ihr Malatelier ist, und während sie zur Tür geht – sogar hineilt –, plustert sie mit der Hand ihr nackenlanges Haar auf, dessen helles Rot sie mit Henna noch verstärkt. Unerwartete Unterbrechungen begrüßt sie freudiger als Ahmed. Obwohl es zehn Tage her ist, dass er der Andacht in der Kirche der Ungläubigen beigewohnt hat, ist ihm deswegen noch immer unwohl; er hat sich auf Tylenols Terrain gewagt, und es ist nicht auszuschließen, dass ihm dieser Quälgeist mit seiner Gang irgendwann, selbst abends, auflauert und ihn aus seiner Wohnung ruft.
    Und wenn es auch unwahrscheinlich ist, so besteht doch die Möglichkeit, dass ein Abgesandter von Scheich Rashid an seine Tür klopft. Der Meister hat nicht viele Schüler. Er hat in letzter Zeit reizbar gewirkt, als laste etwas auf ihm; auf Ahmed wirkt er wie ein fein kalibriertes Element in einer Struktur, die unter allzu großer Spannung steht. In dieser Woche hat der Imam Ahmed gegenüber Ungeduld an den Tag gelegt, als sie über einen Vers aus der dritten Sure sprachen: Und diejenigen, die ungläubig sind, sollen ja nicht meinen, der Umstand, dass wir ihnen Aufschub gewähren, sei für sie selber gut. Wir gewähren ihnen nur darum Aufschub, damit sie der Sünde immer mehr verfallen. Eine erniedrigende Strafe haben sie dereinst zu erwarten. Ahmed hatte seinen Lehrer zu fragen gewagt, ob an dem Tadel in diesem Vers und in den vielen ähnlichen nicht etwas Sadistisches sei. «Sollte es nicht Gottes Ziel sein», hatte er gefragt, «durch den Mund des Propheten die Ungläubigen zu bekehren? Sollte Gott ihnen jedenfalls nicht Barmherzigkeit erweisen, statt über ihr Leid zu frohlocken?»
    Der Imam bot ein halbes Gesicht dar, denn die untere Hälfte verbarg ein gestutzter grau melierter Bart. Seine dünne Nase war gebogen und die Haut seiner Wangen bleich, jedoch nicht so bleich wie bei Angelsachsen oder Iren, nicht – wie der Teint von Ahmeds Mutter – sommersprossig und zu raschem Erröten neigend (ein Zug, den er leider geerbt hat), sondern auf jemenitische Art bleich – wächsern, ebenmäßig, undurchdringlich. Die violetten Lippen im Bart des Imam verzerrten sich. Er fragte zurück: «Die Kakerlaken, die unter der Fußleiste und unter dem Spülbecken hervorkommen – hast du mit ihnen Mitleid? Die Fliegen, die um das Essen auf dem Tisch herumsirren, darauf umherkrabbeln mit ihren schmutzigen Füßen, die eben noch über Kot und Aas spaziert sind – hast du mit ihnen Mitleid?»
    Ahmed hatte tatsächlich Mitleid mit ihnen, denn ihn faszinierten die unermesslichen Insektenscharen, von denen es vor den Füßen gottgleicher Menschen wimmelt, doch da er wusste, dass jede Einschränkung, jedes Anzeichen von weiteren Einwänden seinen Lehrer erzürnen würde, antwortete er: «Nein.»
    «Nein», pflichtete ihm Scheich Rashid mit Genugtuung bei und zupfte mit einer zierlichen Hand leicht an seinem Bart. «Du willst sie vernichten. Mit ihrer Unsauberkeit sind sie dir lästig. Sie wollen deinen Tisch, deine Küche in Beschlag nehmen; sie setzen sich gar in das Essen, das du zum Munde führst, wenn du sie nicht vernichtest. Sie empfinden nichts. Sie sind

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