Terrorist
lauter Sklaven – Drogensklaven, Modesklaven, Sklaven des Fernsehens, Sklaven von Sportheroen, die nicht einmal von diesen Sklaven wissen, Sklaven der hässhchen, unwichtigen Meinungen anderer über sie. Du hast ein gutes Herz, Joryleen, aber so träge, wie du denkst, bist du auf dem besten Wege in die Hölle.»
Sie ist an einer trübseligen, baumlosen Stelle auf dem Trottoir stehen geblieben, und er nimmt an, ihr Ärger über ihn, ihre den Tränen nahe Enttäuschung habe sie zum Anhalten gebracht, doch dann wird ihm klar, dass Joryleen hinter der verwaschenen Eingangstür da mit den vier hölzernen Stufen davor, so grau gebeizt wie von immer währendem Regen, zu Hause ist. Ahmed selbst wohnt wenigstens in einem mehrstöckigen Backsteinhaus an der Nordseite des Boulevards. Dass sie enttäuscht ist, bereitet ihm ein schlechtes Gewissen, denn indem sie es ihm erlaubt hat, sie zu begleiten, hat sie das Risiko einer Verwundung auf sich genommen.
«Wenn einer nicht weiß, wohin er unterwegs ist», sagt sie, als sie sich abkehrt, um ins Haus zu gehen, die Zehenspitzen bereits auf der unterste Treppenstufe, «dann du. Wer nicht weiß, was gut ist und was schlecht, bist du.»
Ahmed sitzt an dem schweren, alten, runden, braunen Tisch, den er und seine Mutter den Esstisch nennen, obwohl sie nie daran essen, und studiert die Broschüren zur Vorbereitung auf die Gewerbeführerschein-Prüfung. Es sind vier Blätterstapel, jeder zusammengeheftet, die er aus Michigan hat kommen lassen, mit Hilfe von Scheich Rashid, der auch den Scheck in Höhe von 89,50 Dollar dafür ausgestellt hat, lautend auf das Konto der Moschee. Ahmed hat immer angenommen, Lastwagen zu fahren, sei etwas für Dummköpfe wie Tylenol und dessen Kumpel in der Schule; tatsächlich aber ist dafür eine verwirrende Menge von Spezialkenntnissen erforderlich; zum Beispiel muss man sämtliche gefährlichen Stoffe kennen, die gut sichtbar und voneinander getrennt angezeigt werden müssen, wozu es vier verschiedene quadratische Schilder von zweiunddreißig Zentimeter Seitenlänge gibt, die auf der Spitze stehend anzubringen sind. Es gibt entzündliche Gase wie Wasserstoff und giftige beziehungsweise toxische Gase wie komprimiertes Fluor; es gibt leicht brennbare feste Stoffe wie mit Wasser phlegmatisiertes Ammonium-Pikrat, selbstentzündliche wie weißer Phosphor und solche, die selbstentzündlich sind, wenn sie nass werden, wie Natrium. Dann gibt es da echte Gifte wie Zyankali, infektiöse Substanzen wie das Anthrax-Virus, radioaktive Stoffe wie Uran und ätzende wie die Batterieflüssigkeit. Sie alle müssen per Lastwagen transportiert werden, und jedes Auslaufen, jeder Schwund ab einer bestimmten Quantität (die je nach Toxizität, Flüchtigkeit und chemischer Stabilität verschieden ist) muss der Verkehrsbehörde und der Umweltschutzbehörde gemeldet werden.
Ahmed wird ganz übel, wenn er an all die auszufüllenden Formulare denkt, an die Transportpapiere, die vor Ziffern, Kodes und Verboten starren. Giftige Stoffe dürfen niemals zusammen mit Nahrungsmitteln oder Tierfutter geladen werden; gefährliche Stoffe, selbst wenn sie sich in versiegelten Behältern befinden, dürfen niemals in der Fahrerkabine verstaut werden; es gilt, Hitze, Lecks und plötzliche Tempowechsel zu vermeiden. Neben gefährlichen Substanzen gibt es noch ABUS (anderen Beschränkungen unterworfene Stoffe), die eine betäubende, reizende oder schädigende Wirkung auf den Fahrer und seine Beifahrer entfalten können, wie etwa Monochloroazeton oder Diphenylchloroarsin, sowie solche die, wenn sie auslaufen sollten, das Fahrzeug beschädigen können, wie die ätzenden Flüssigkeiten Bromin, Natriumkalk, Salzsäure, Natriumhydroxydlösung und Batteriesäure. Im ganzen Land, wird Ahmed nun klar, werden gefährliche Stoffe durchgerüttelt, laufen aus, geraten in Brand, zerfressen Straßenbeläge und Lasterchassis – ein chemisches Teufelswerk, welches das geistige Gift des Materialismus offenbart.
Sodann, erfährt Ahmed aus den Broschüren, gibt es beim Transport von Flüssigkeiten im Tanklaster den Spielraum, auch Leckage genannt, der benennt, um wie viel die Ladung unterhalb des Tankvolumens bleiben muss, damit der Tank nicht platzt, wenn sich der Inhalt während des Transports ausdehnt – wenn die Außentemperatur zum Beispiel auf fünfundfünfzig Grad Celsius steigt. Außerdem muss der Fahrer eines Tanklasters das Schwappen der Ladung berücksichtigen, das heftiger und gefährlicher ist
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