Terrorist
schräg durch die Wolken dringt, sieht man den feinen Staub, der in einer Brise aus dem Schutt aufsteigt, und als die Wolkendecke sich wieder schließt, wird die Sonne, als wäre ein makellos rundes Loch in die Wolken gebrannt, zu einer weißen Scheibe, genau von der Größe des Mondes. Da Ahmed von der einen Seite die Sonne auf sich spürt, wird ihm die Wärme bewusst, die ihn auf der anderen Seite erreicht, die Wärme von Joryleens sich bewegendem Körper, einem System sich überlappender Kreise und weicher Partien. Die Perle an ihrem Nasenflügel funkelt wie eine glühende Nadelspitze; die Sonne steckt eine gleißende Zunge in die Mulde hinter dem Schalkragen von Joryleens Bluse. «Ich bin ein guter Moslem in einer Welt, die den Glauben verhöhnt», sagt Ahmed zu ihr.
«Möchtest du dich nicht manchmal gut fühlen, statt immer nur gut zu sein?», fragt Joryleen. Sie möchte es wirklich wissen, glaubt er; mit seinem strengen Glauben stellt er für sie ein Rätsel, ein Kuriosum dar.
«Das eine geht vielleicht aus dem anderen hervor», bietet er ihr an. «Das Fühlen aus dem Sein.»
«Du bist in meine Kirche gekommen», sagt sie, «da könnte ich auch mit dir in deine Moschee gehen.»
«Das ist nicht möglich. Wir könnten nicht beieinander sitzen, und du könntest keiner Andacht beiwohnen, bevor du dich nicht religiösen Unterweisungen unterzogen und deine Aufrichtigkeit bekundet hast.»
«Wow! Für all das hätte ich wahrscheinlich gar keine Zeit. Aber sag mal, Ahmed, was tust du eigentlich, wenn du mal Spaß haben willst?»
«Zum Teil das Gleiche wie du, allerdings kommt es im Leben eines guten Moslem auf ‹Spaß›, wie du dich ausdrückst, nicht an. Zweimal die Woche habe ich Stunden in der Sprache und den Lehren des Koran. Ich bin an der Central High, wie du weißt. Im Herbst bin ich in der Fußballmannschaft – übrigens habe ich in der letzten Saison fünf Tore geschossen, darunter einen Elfmeter – und im Frühjahr treibe ich Leichtathletik. Um Taschengeld zu haben und meine Mutter zu unterstützen – die Irin mit den Sommersprossen, wie du sie nennst –»
«Wie Tylenol sie genannt hat.»
«Wie ihr beide sie offenbar nennt. Also, ich arbeite noch zwölf bis achtzehn Stunden pro Woche bei Shop-a-Sec, und das kann schon ‹Spaß› machen – die Kunden zu beobachten, mit ihren verschiedenen Aufmachungen und individuellen Verrücktheiten, zu denen die amerikanische Lockerheit herausfordert. Es gibt im Islam keine Vorschriften, die es verbieten würden, fernzusehen oder ins Kino zu gehen, obwohl da alles so von Verzweiflung und Ungläubigkeit vollgesogen ist, dass es mich nicht interessiert, sondern abstößt. Ebensowenig ist es im Islam verboten, Umgang mit dem anderen Geschlecht zu pflegen, wenn strikte Verbote beachtet werden.»
«Und die sind so strikt, dass überhaupt nichts läuft, was? Bieg hier mal nach links ab, wenn du mich nach Hause begleiten willst. Das brauchst du aber nicht. Wir kommen hier jetzt in die übleren Gegenden, und du willst ja keinen Ärger kriegen.»
«Ich möchte dich nach Hause bringen.» Und er fährt fort: «Diese Verbote dienen weniger dem Mann als dem Weib. Ihre Jungfräulichkeit und Reinheit bestimmen entscheidend über ihren Wert.»
«Du meine Güte», sagt Joryleen. «In wessen Augen denn? Ich meine, wer entscheidet denn über diesen Wert?»
Wenn er auf diese Fragen auch nur antwortet, hat ihn Joryleen an den Rand der Blasphemie geführt. Im Unterricht ist ihm aufgefallen, wie redegewandt sie war; die Lehrer ließen sich auf sie ein und merkten nicht, dass Joryleen sie vom vorgesehenen Pensum ablenkte und ihnen Unterrichtszeit stahl. Sie kann ganz schön boshaft sein. «In den Augen Gottes», erklärt er ihr. «Wie der Prophet darlegt: ‹ Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und sie sollen darauf achten, dass ihre Zierde bedeckt ist.› Das steht in derselben Sure, in der den Frauen auch geraten wird, den Schmuck, den sie am Körper tragen, nicht offen zu zeigen, ja nicht einmal aufzustampfen, weil sonst das Klirren ihrer verborgenen Fußreifen zu hören ist, und dass sie ihren Busen mit einem Schleier verhüllen sollen.»
«Du findest, ich zeig zu viel von meinen Titten – das merk ich daran, dass es deine Augen ständig da hinzieht.»
Allein das Wort «Titten» aus ihrem Mund zu hören, erregt ihn unziemlich. Er blickt starr geradeaus und sagt: «Reinheit ist ein Wert an sich. Wie gesagt, wer gut ist, fühlt sich auch
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