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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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vergisst immer, Jack zu sagen, er solle im Telefonladen, der weit außerhalb liegt, im Einkaufszentrum an der Route 23, die Verlängerungsschnur besorgen. Zu ihrer Mädchenzeit rief man einfach AT&T an, dann schickten sie einem einen Mann in grauer Uniform (oder war sie grün?) und schwarzen Schuhen, der für ein paar Dollars alles regelte. AT&T war eine Monopolgesellschaft, und Beth weiß, dass das eine schlechte Sache war – Ferngespräche wurden einem nach Minuten berechnet, und heute kann sie stundenlang mit Markie oder Herm sprechen, und es kostet so gut wie nichts, nur repariert einem heute keiner mehr ein Telefon. Man wirft sie weg, genau wie alte Computer und die Zeitung vom Vortag.
    Außerdem will sie sich eigentlich das Leben nicht noch leichter machen, als es bereits ist; jedes bisschen Bewegung hat sie bitter nötig. Als sie noch jünger war, aber schon verheiratet, war sie den ganzen Vormittag über mit Bettenmachen, Staubsaugen und Geschirreinräumen beschäftigt und auf Trab, aber sie hat darin nun so viel Erfahrung, dass sie diese Dinge fast im Schlaferledigen kann; wie eine Traumwandlerin bewegt sie sich durch einen Raum, macht die Betten und räumt auf, obwohl sie, das stimmt schon, nicht mehr so gründlich saugt wie früher – die neuen Geräte sind leichter und sollen ja sogar effizienter sein, das weiß sie wohl, aber nie hat sie die richtige Aufsteckbürste zur Hand, und dann ist das Fach dafür so schwierig aufzukriegen, findet sie; die Teile zusammenzusetzen, ist das reinste Puzzle im Vergleich zu den Stabstaubsaugern, die man einfach anschaltete und die auf dem Teppich breite gesaugte Bahnen gesträubten Flors hinterließen wie ein Rasenmäher auf dem Rasen und die vorne darauf dieses niedliche Lämpchen hatten, wie ein Schneepflug bei Dunkelheit, so heimelig. Die Hausarbeit ging ihr von der Hand wie nichts. Freilich musste sie da auch noch weniger Gewicht umherbewegen – das ist nun mal das Kreuz, das ihr auferlegt ist, ihre Kasteiung, wie die frommen Leute früher sagten.
    Viele ihrer Kollegen an der Clifton-Bibliothek und die jungen Leute, die dort ein und aus gehen, haben Handys in der Tasche oder am Gürtel, aber Jack sagt, das ist Ge~ schäftemacherei, die Kosten läppern sich zusammen, wie beim Kabelfernsehen, und das wollte sie haben, nicht er. Die so genannte elektronische Revolution, behauptet Jack, hat jede Menge Tricks mit sich gebracht, uns durch monatliche Beiträge für Dienstleistungen, die wir nicht benötigen, schmerzlos Geld aus der Tasche zu ziehen, aber mit dem Kabelfernsehen ist das Bild ja wirklich klarer geworden – keine Geisterschatten mehr, kein Wackeln, kein Flimmern –, und die Programmauswahl ist unvergleichlich größer; selbst Jack schaltet an manchen Abenden den History Channel ein. Er behauptet zwar, Bücher seien besser, liest aber fast nie eines zu Ende. Zu der Handyfrage hat er doch glatt zu ihr gesagt, er will nicht ständig erreichbar sein, schon gar nicht während der Beratungsstunden – wenn sie einen medizinischen Notfall hat, soll sie 911 anrufen, nicht ihn. Nicht gerade sehr sensibel. In gewisser Hinsicht würde es ihm nichts ausmachen, wenn sie tot wäre, das weiß sie; er hätte dann hundertfünfundzwanzig Kilo weniger zu schultern. Andererseits würde er sie nie verlassen, das weiß sie auch: Das hängt mit seinem jüdischen Verantwortungsgefühl zusammen und mit einer sentimentalen Loyalität, die ebenfalls ein jüdischer Zug sein muss. Wenn man zweitausend Jahre lang verfolgt und geächtet wurde, dann ist man so vernünftig, seinen Nächsten gegenüber loyal zu bleiben, denn dadurch erhöht man seine Überlebenschancen.
    Sie sind etwas Besonderes, da hat die Bibel sich nicht getäuscht. Bei der Arbeit, in der Bibliothek, sind immer sie es, von denen die Witze kommen, aber auch die Ideen. Als sie Jack an der Rutgers University kennen lernte, kam sie sich wie elektrisiert vor; so etwas hatte sie zuvor noch nie erlebt. Die anderen Frauen, die er gekannt hatte, seine Mutter eingeschlossen, mussten sehr gescheit gewesen sein, ausgesprochen jüdisch-intellektuell. Beth fand er lustig, so locker und sorglos, wie sie war. Sie sei im Schoß des lutherischen Teddybärgottes aufgewachsen, erklärte er ihr; er hatte ihre Nerven von einer Watteschicht befreit und sich auf sie gestürzt; in sie hineingebohrt hatte er sich, in jeder Hinsicht; er war damals selbst noch dünner und sehr von sich eingenommen, der geborene Lehrer, wie sich dann

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