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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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nun mal eine Zeit im Leben», erklärt er, um auf den Mann aus Barbados nicht schroff zu wirken, «in der einem Prominente nicht mehr so viel bedeuten wie früher.»
    Der Lehrer, mit dem er in der Auszugsprozession geht, ist, sieht er erst jetzt, eine Lehrerin. Miss Mackenzie, Englisch, Oberstufe, Vorname Caroline. Groß, kantiges Kinn, Fitnessfreak. Sie trägt ihr grau werdendes Haar in einem altmodischen Pagenschnitt, Pony bis an die Augenbrauen. «Carrie», sagt Jack freundlich, «was muss ich da hören? Du gibst deinen Schülern Sexus zum Lesen auf?» Sie lebt mit einer Frau zusammen, oben in Paramus. Levy glaubt, dass er sie aufziehen kann wie einen Mann.
    «Mach’s halblang, Jack», sagt sie, ohne zu lächeln. «Es war ein Teil seiner Memoiren, das Buch mit Big Sur im Titel. Und es stand auf der freiwilligen Leseliste, niemand musste es lesen.»
    «Und die, die es gelesen haben, was konnten die damit anfangen?»
    «Ach», sagt sie mit trotz des Schwatzens und Füßeschurrens und der Auszugsmusik mit leiser, aber langsam feindselig werdender Stimme, «denen macht das nichts. Die kennen das alles von zu Hause.»
    Die zusammengewürfelte Menschenmenge dieser Galaveranstaltung – Schulabgänger, Lehrer, Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten, Nichten und Neffen – drängt aus dem Auditorium in die Eingangshalle, wo die Sporttrophäen Wache stehen, die magische Vergangenheit, in langen Glasvitrinen versiegelt wie der Schatz eines toten Pharao, dann im Triumphzug durch das Hauptportal, dessen weit geöffnete Flügeltüren den Sonnenschein eines frühen Junitags einlassen und die staubige Aussicht auf den Schuttsee freigeben, und die imposante Eingangstreppe hinunter. Diese prächtigen Granitstufen führten einst auf eine weitläufige grüne Rasenfläche mit symmetrisch angeordneten Büschen; doch die Bedürfnisse des Automobils knabberten erst an diesem Parkstück und verschlangen es dann im Zuge der Erweiterung der Tilden Avenue (trotzig so umbenannt von einem Gemeinderat mit solider demokratischer Mehrheit, nachdem 1877 eine von Republikanern dominierte Wahlkommission das Präsidentenamt an sich gerissen hatte, in stillschweigendem Einverständnis mit den Südstaaten, denen daran gelegen war, die Protektion ihrer Negerbevölkerung durch den Norden loszuwerden), sodass die unterste Gruppe von Stufen nun direkt auf ein Trottoir führt, das zur Asphaltstraße hin einen schmalen Grünstreifen aufweist, der freilich nur für ein paar Wochen grünt, bevor ihn die glühende Sommerhitze und unzählige achtlose Schritte in eine flache Matte toten Grases verwandeln. Die Asphaltfläche der Avenue jenseits des Bordsteins, so wellig wie ein hastig gemachtes Bett mit ihren immer von neuem geflickten Schlaglöchern und den Teermulden, die unter dem Gewicht der ständig darüber hinwegdonnernden Autos und Laster entstanden sind, ist für diese Stunde mit orangefarben gestreiften Barrikaden für den Verkehr gesperrt worden, damit die zahlreichen Besucher der Abgangsfeier irgendwo umherstehen, sich selbst beglückwünschen und auf die soeben entlassenen Schulabgänger warten können, die in ihren Talaren noch einmal durch das Gebäude ziehen, um endgültig Abschied zu nehmen.
    Als Jack Levy durch die Menge streift – denn es drängt ihn nicht, nach Hause zu gehen und sich dem Beginn eines Sommers in Gesellschaft seiner Frau zu stellen und misslaunig nach seinem lustigen Dialog mit Carrie Mackenzie spürend, dass er mit der «Anything-goes»-Gesellschaft nicht mithalten kann, stößt er auf Teresa Mulloy; ihr Gesicht ist unter den Sommersprossen vor Hitze rosig, und sie trägt auf der verknitterten Jacke ihres hellen Leinenkostüms eine bereits welke Orchidee. Jack begrüßt sie förmlich: «Herzlichen Glückwunsch, Ms. Mulloy.»
    «Hallo!», anwortet sie überlaut; sie nimmt das Treffen zum Anlass, flüchtig Jacks Arm zu berühren, wie um die knospende Intimität ihrer letzten Begegnung wiederherzustellen. Atemlos grapscht sie nach den ersten Worten, die ihr in den Sinn kommen: «Sie müssen doch einen herrlichen Sommer vor sich haben!»
    Die Idee verdutzt ihn. «Ach, immer das Gleiche», sagt er. «Wir unternehmen nicht viel; Beth hat nur ein paar Wochen Urlaub von der Bibliothek. Ich versuche, mit Nachhilfestunden ein bisschen Geld hinzuzuverdienen. Wir haben einen Sohn in New Mexico, und gewöhnlich besuchen wir ihn im August für eine Woche; es ist heiß dort, aber nicht so schwül wie hier. Beth hat eine Schwester in

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