Terrorist
Melange von Düften aus, voran der Seifenduft ihres Nackens. Als Thema verliert ihr Sohn für sie an Interesse. «Er kann Schluss machen, wenn er die Möbel ausgeliefert hat – an manchen Tagen früh, an den meisten spät. Manchmal fahren sie bis nach Camden oder Atlantic City.»
«Eine ganz schön weite Fahrt, um ein Möbelstück zu liefern.»
«Sie liefern nicht nur, sie holen auch Sachen ab. Viele von ihren Möbeln sind gebraucht. Sie machen den Leuten ein Angebot auf ihre Habseligkeiten und fahren den Kram dann ab. Es gibt da so etwas wie ein Netzwerk; welche Rolle der Islam dabei spielt, weiß ich nicht. Die meisten ihrer Kunden in der Umgebung von New Prospect sind schwarze Familien. Manchmal sind sie erstaunlich gut eingerichtet, sagt Ahmed. Es gefällt ihm sehr, in andere Umgebungen zu kommen, zu sehen, wie die Menschen leben.»
«Ah, die Welt sehen.» Jack seufzt. «Erst mal mit New Jersey anfangen. So hab ich’s auch gemacht, nur hab ich die Welt dann ausgelassen. Und jetzt, Mädchen, haben wir ein Problem, du und ich.»
Teresa Mulloys vorstehende, hell beryllfarbenen Augen weiten sich; sie ist leicht beunruhigt. «Ein Problem?»
Jack lüpft das Betttuch und zeigt ihr, was sich unterhalb seiner Gürtellinie getan hat. Hoffentlich hat er ihr von seinem Leben im Allgemeinen immerhin so viel mitgeteilt, dass sie bereit ist, dieses Phänomen mit ihm zu teilen.
Sie starrt darauf und berührt mit der Zungenspitze die pralle Beere in der Mitte ihrer Oberlippe. «Das ist kein Problem», befindet sie. «No problema, señor.»
Charlie Chehab geht oft mit Ahmed auf Tour, auch wenn Ahmed das Laden oder Entladen der Möbel allein bewältigen könnte. Der Junge wird von all dem Tragen und Schleppen stärker. Er hat darum gebeten, dass seine Lohnschecks – fast fünfhundert Dollar in der Woche, an Stundenlohn das Doppelte von dem, was ihm Shop-a-Sec gezahlt hat – auf Ahmed Ashmawy ausgeschrieben werden, obwohl er noch immer bei seiner Mutter wohnt. Da sowohl auf seiner Sozialversicherungskarte als auch auf seinem Führerschein als Familienname Mulloy steht, ist seine Mutter mit ihm in die Innenstadt zur Bank gegangen, die sich in einem der neuen Glasgebäude befindet, um die Sache zu erläutern und neue Formulare für ein getrenntes Konto auszufüllen. So ist sie neuerdings: Sie setzt ihm keinerlei Widerstand entgegen; sehr deutlich hat sie das allerdings noch nie getan. Seine Mutter ist, wie er nun erkennt, eine typische Amerikanerin, ohne starke Überzeugungen, und daher mangelt es ihr auch an dem Mut und an dem Trost, den sie mit sich bringen. Sie ist ein Opfer der amerikanischen Freiheitsreligion – Freiheit über alles, doch Freiheit zu welchem Handeln und mit welchem Ziel? Das bleibt völlig offen, da gibt’s nur heiße Luft. In der Luft explodierende Bomben – der leere Luftraum ist das perfekte Symbol für die amerikanische Freiheit. Es gibt hier keine ummah, das heben sowohl Charlie wie auch Scheich Rashid hervor – kein umfassendes Gebäude frommer Rechtsprechung, das Reiche wie Arme dazu bringt, sich Schulter an Schulter zu verneigen, kein Ehrenkodex der Selbstaufopferung, keine leidenschaftliche Unterwerfung, wie sie im Herzen des Islam besteht, ihm sogar den Namen gibt. Stattdessen gibt es eine Vielfalt widersprüchlicher Lehren der individuellen Selbstsuche, deren Schlagworte Carpe diem und Den letzten beißen die Hunde und Hilf dir selbst, so hilft dir Gott lauten und die in der Summe so viel bedeuten wie: Es gibt keinen Gott, kein Jüngstes Gericht; hilf dir selbst. Der Doppelsinn von «help yourself» – Selbstverantwortung und «Raff an dich, was du kriegen kannst» – amüsiert den Scheich, der nach zwanzig unter diesen Ungläubigen verbrachten Jahren stolz darauf ist, wie fließend er ihre Sprache beherrscht. Ahmed kann sich manchmal kaum des Verdachts erwehren, dass sein Lehrer in einer scheinrealen Welt der reinen Worte weilt und den heiligen Koran vornehmlich dessen Sprache wegen liebt, einer Hülle aus gewaltsamen Verkürzungen, deren Gehalt in ihren Silben liegt, in dem ekstatischen Strom von Ls und As und gutturalen Verschlusslauten, diesem Nachhall der Schreie und des Edelmuts berittener, in wallende Gewänder gehüllter Krieger unter dem wolkenlosen Himmel von Arabia Deserta.
Ahmed betrachtet seine Mutter als alternde Frau, die im Herzen ein Mädchen geblieben ist, das mit der Liebe und der Kunst spielt – denn sie ist in letzter Zeit von einer zerstreuten Lebhaftigkeit,
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