Terrorist
Auserwählten, zum Lohn für das, was sie in ihrem Erden leben getan haben. Ahmed betrachtet seine Mutter, Allah möge ihm vergeben, als einen Fehler, der seinem Vater unterlaufen ist, der ihm selbst jedoch nie passieren würde.
Charlie ist verheiratet, mit einer Libanesin, die Ahmed selten sieht, denn sie kommt erst gegen Ladenschluss ins Geschäft, nach ihrer eigenen Arbeit in einer Beratungsstelle, wo für diejenigen, die selbst nicht dazu imstande sind, Steuerformulare ausgefüllt und Eingaben an die Behörden der Stadt, des Bundesstaates und des Landes aufgesetzt werden, die ihren Tribut von allen Bürgern fordern. Mit ihrer westlichen Kleidung und ihren Hosenanzügen hat sie etwas Maskulines, und nur durch ihren olivfarbenen Teint und ihre dichten, ungezupften Augenbrauen unterscheidet sie sich von einer Heidin. Buschig steht ihr das halblange Haar vom Kopf ab, doch auf dem Foto, das Charlie auf seinem Schreibtisch stehen hat, trägt sie ein großes Kopftuch, das jedes Haar bedeckt, und lächelt über die Gesichter von zwei kleinen Kindern hinweg. Charlie spricht nie von ihr, obwohl er oft über Frauen redet, besonders über diejenigen, die in Werbespots im Fernsehen erscheinen.
«Hast du die in der Werbung für Levitra gesehen, diese Pillen für Typen, die ihn nicht hochkriegen?»
«Ich seh selten fern», sagt Ahmed darauf. «Jetzt, wo ich kein Kind mehr bin, interessiert’s mich nicht mehr.»
«Sollte es aber – wie sonst kannst du erfahren, was die Konzerne, die dieses Land unter ihrer Fuchtel haben, so alles mit uns machen? Die Frau in der Levitra-Werbung ist für mich der Inbegriff von Tussi. Da schnurrt sie was von ihrem ‹Kerl›, dem die ‹Qualität› seiner Erektionen ja so wichtig ist – sie sagt natürlich nicht ‹Erektionen›, aber nur darum geht’s ja in dem Spot, um ordentlich harte Latten, schließlich sind Erektionsstörungen das dickste Geschäft, das sich die Pharmaindustrie seit Valium erschlossen hat –, und wie sie da so träumerisch in die Weite guckt und feuchte Augen kriegt, siehst du glatt, mit dem Blick einer Frau, diesen langen, steifen Schwengel vor dir, hart wie Stein, und mit ihrem Mund tut sich etwas Komisches – sie hat einen tollen Mund –, er bewegt sich irgendwie in Wellen, die winzig kleinen Muskeln in den Lippen sorgen dafür, und da weißt du, das sie sich ausmalt, wie sie ihm einen bläst – sie hat den idealen Mund zum Schwanzlutschen –, und dann guckt sie ganz verschwommen, weißt du, so selbstgefällig und sexuell befriedigt, wendet sich dem Typ zu – so einem männlichen Model, im wirklichen Leben wahrscheinlich schwul –, sagt: ‹Sieh mal da!›, und berührt blitzartig seine Wange, das Grübchen, das ihm gekommen ist, während er sich einfältig angehört hat, wie toll er ist. Nun fragst du dich: Wie zum Teufel haben die das hingekriegt – wie viele Takes haben sie schon aufgezeichnet, bevor ihr das eingefallen ist, oder hatte der Mensch, der das Script zum Spot geschrieben hat, schon die Idee, und es war von vorneherein vorgesehen? Aber es wirkt dermaßen spontan, dass du dich fragst, wie sie es geschafft haben, die Frau so heiß aussehen zu lassen. Sie hat echt dieses Selige an sich, weißt du, das Frauen kriegen, wenn sie gut gevögelt worden sind. Und das liegt nicht nur an dem Weichzeichner.»
Das, denkt Ahmed ein wenig trist, ist das Männergerede, das er, in seinem strengen weißen Hemd und seinen schwarzen Jeans, an der High School gemieden hat und das ihm sein Vater vielleicht in gemäßigter, weniger obszöner Form geboten hätte, wäre Omar Ashmawy lange genug geblieben, um die Vaterrolle zu spielen. Ahmed ist Charlie dankbar dafür, dass er ihn in die Clubrituale der Männerfreundschaft einbezieht. Charlie, der fünfzehn Jahre älter ist als er und verheiratet, auch wenn er nicht so klingt, scheint vorauszusetzen, dass alles, was er weiß, auch Ahmed weiß oder, falls dem nicht so ist, erfahren möchte. Wenn Charlie neben ihm sitzt, wenn Ahmed geradeaus durch die Windschutzscheibe des Lastwagens blicken kann und die Hände am Steuer hat, fällt es ihm leichter, mit Charlie zu reden, als wenn er ihn gegenüber hat. Nun wird er rot, denn er muss seine Frömmigkeit offenbaren. «Ich finde, das Fernsehen hilft einem nicht, die Gedanken rein zu halten.»
«Mann! Nee, wirklich nicht! Wach endlich auf: Das soll’s auch gar nicht. Das meiste, was sie bringen, ist bloß Mist, mit dem sie die Zeit zwischen den Werbestrecken füllen. Das
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