Terrorist
«Wir sind alle jemand», besänftigt er sie. «Du ganz besonders. Aber was den Bund angeht, so hast du hier einen Juden vor dir, der das nie empfunden hat. Mein Vater hat die Religion gehasst, und die einzigen Bünde, von denen ich gehört habe, gab es in Wohngegenden, in denen Juden unerwünscht waren. Wie religiös ist Ahmed eigentlich jetzt?»
Sie entspannt sich ein wenig und lässt sich auf ihr Kissen zurückfallen. Sein Blick wandert ein wenig tiefer in den schwarzen BH. Die sommersprossige Haut ihres Dekolletes hat in Jahren der Schädigung durch die Sonne einen leichten Crepeseideneffekt angenommen, im Gegensatz zu dem cremeweissen Streifen unter dem BH. Also ist vor mir schon ein anderer Jude hier gewesen, denkt Jack. Und wer sonst noch alles? Ägypter, Chinesen, Gott weiß wer. Viele der Maler, die sie kennt, sind halb so alt wie sie. Für diese Jungen ist sie eine Mutter, die sich bumsen lässt. Vielleicht ist ihr eigener Junge deswegen schwul, falls er das ist.
Sie sagt: «Schwer zu sagen. Er hat noch nie viel darüber geredet. Der arme kleine Kerl sah immer so zart und ängstlich aus, wenn ich ihn an der Moschee abgesetzt habe und er dann ganz allein die Treppe hinaufgestiegen ist. Wenn ich ihn hinterher gefragt habe, wie es gewesen sei, sagte er immer ‹Toll› und sonst nichts. Er wurde sogar rot. Das war etwas, worüber er sich nicht mitteilen konnte. Jetzt, wo er arbeitet, ist es manchmal schwierig für ihn, freitags in die Moschee zu gehen, hat er mir erzählt, und dieser Charlie, mit dem er ständig zusammen ist, nimmt offenbar seine religiösen Pflichten nicht sonderlich ernst. Aber alles in allem kommt mir Ahmed wirklich viel lockerer vor, weißt du – schon wie er mit mir spricht, von gleich zu gleich, viel mehr wie ein Mann. Jetzt kann er mir in die Augen sehen. Er verdient Geld, ist mit sich zufrieden und – aber vielleicht bilde ich mir das nur ein – offener für neue Ideen, nicht mehr gefangen in diesem meiner Ansicht nach sehr begrenzten, intoleranten Glauben. Er wird auf neue Gedanken gebracht.»
Jack Levy ist Terry dankbar dafür, dass sie sich für ein anderes Thema als seine Schwächen erwärmt. «Hat er eigentlich eine Freundin?»
«Soweit ich weiß, nein», sagt sie. Er liebt diesen irischen Zug um ihren Mund, wenn sie nachdenklich wird und ihn zu schließen vergisst; dann tritt die kleine Beere in der Mitte ihrer geschürzten Oberlippe so deutlich hervor. «Ich glaube, ich wüsste es. Er kommt müde nach Hause, lässt sich von mir etwas zu essen machen, liest den Koran oder in letzter Zeit die Zeitung – dieser blöde Krieg gegen den Terror –, damit er mit diesem Charlie darüber reden kann, und legt sich in seinem Zimmer schlafen. Auf seinen Betttüchern» – sie bedauert bereits, dass sie davon angefangen hat, spricht aber dennoch weiter – «sind keine Flecken. Was nicht immer so war.»
«Woher wüsstest du es denn, wenn er ein Mädchen hätte?»
«Ach, das würde er erwähnen, und wenn auch nur, um mich zu ärgern. Er konnte es noch nie ausstehen, dass ich Freunde hatte. Und er würde abends ausgehen. Tut er aber nicht.»
«Kommt einem irgendwie nicht ganz richtig vor. Er ist doch ein gut aussehender Junge. Könnte es sein, dass er schwul ist?»
Die Frage verstört sie nicht; sie hat selbst schon darüber nachgedacht. «Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich glaube, auch das wüsste ich. Sein Lehrer an der Moschee, dieser Scheich Rashid, hat etwas Verdrücktes; aber das nimmt Ahmed selbst wahr. Er verehrt ihn, traut ihm aber nicht.»
«Hast du nicht gesagt, dass du dem Mann schon begegnet bist?»
«Nur ein-, zweimal, wenn ich Ahmed abgeholt oder hingebracht habe. Mir gegenüber hat er sich sehr höflich und korrekt benommen, aber ich habe den Hass gespürt. Für ihn war ich ein Stück Fleisch – unreines Fleisch.»
Unreines Fleisch. Jacks Erektion ist wieder erwacht. Er möchte sich noch eine Minute darauf konzentrieren, bevor er Terry diese möglicherweise ungelegene Entwicklung kundtut. Dieses Ding zu haben – es ist allein schon eine Lust, die er vergessen hatte, diesen festen, kräftigen, lästigen Stängel, das protzige kleine, soeben zum Zentrum der eigenen Person erhobene Ding, das einen empfinden lässt, man stelle mehr dar. «Und wie ist’s mit seinem Job», fragt er abschließend, «kommt er auf lange Arbeitszeiten?»
«Unterschiedlich», sagt Terry. Von ihrem Körper geht, vielleicht in Reaktion auf etwas, das Jack verströmt, eine flirrende
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