Tesarenland (German Edition)
aber ich schüttele den Kopf. Offensichtlich verstecken wir uns vor etwas oder jemandem. Ich halte den Atem an, wage nicht Luft zu holen. Ich spüre nur Lucas Körper, der sich an meinen drückt. Langsam lässt er Kayla runter, zwängt sie zwischen uns. Sie klammert sich an seine Taille und presst ihr Gesicht in seine Jacke.
Luca schaut mich an, ich schaue ihn an. Sein Gesicht ist ganz nahe an meinem. Ich kann seinen kühlen Atem auf meiner Haut spüren. In seinen dunklen Augen steht die blanke Panik. Diese Panik legt sich auf mich über. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich wage noch immer nicht, einzuatmen, je mehr ich mich dagegen wehre, desto hastiger muss ich aber Luft holen. Mit einem lauten Ächzen sauge ich Sauerstoff in meine Lungen, vorbei an Lucas Hand, die sich noch immer auf meine Lippen presst.
»Eine Bestie«, flüstert Luca. Sein Körper presst uns weiter gegen den Baumstamm. Er muss spüren, dass ich zittere. Ich schäme mich dafür, aber ich kann es nicht unterdrücken. Ich habe von diesen Bestien gehört, aber noch nie eine gesehen. Wie auch, sie in einer Kolonie freizulassen, würde wohl das Ende dieser und ihrer Einwohner bedeuten. Sie sollen grauenvoll aussehen, riesig und tödlich sein. Die Tesare haben sie auf ihren Schiffen mitgebracht und auf unserem Planeten ausgesetzt.
Etwas schabt hinter uns. Es klingt, als würde raues, trockenes Holz über raues, trockenes Holz schleifen. Ein Geräusch, das mir bis tief in die Knochen dringt. Ich schaudere. Ein lautes Knacken, noch eins. Ich schließe die Augen, bete zu Mutter. Ein leises Wimmern von Kayla. Ich ziehe sie näher, drücke ihr Gesicht in den dicken Stoff meiner Jacke. Das Zittern arbeitet sich hoch bis in meine Kiefer. Ich muss die Zähne fest aufeinanderpressen, damit sie nicht klappern. Meine Finger vergraben sich in Kaylas Haar. Ich drücke sie noch fester an mich. Ich denke daran, wie sicher wir doch in Kolonie D waren. Da haben wir nur den Hungertod fürchten müssen. Ich wünsche, wir wären zurück in Kolonie D. Hin und wieder eine Lieferung mit Nahrungsmitteln und das Leben wäre perfekt.
Da war dieser Tag, letztes Jahr im Sommer. Kayla und ich haben vor unserer Hütte gesessen. Der Himmel war strahlend blau. Kayla hatte nur ihre Unterwäsche an. Mutter hat gerade ihr Radieschenbeet gegossen. Sie ging zur Regentonne, füllte ihre Kanne mit Wasser und kam direkt auf uns zu. Sie goss die ganze Kanne über Kayla und mir aus. Kayla rannte lachend und quiekend herum. Ich war für einige Schrecksekunden wie gelähmt, weil das Wasser so eisig war, aber dann schnappte ich mir den Eimer, den wir immer zum Ernten nahmen, füllte ihn mit Regenwasser und kippte ihn über Mutter aus. Sie stand vor mir, klitschnass, ihr Leinenhemd klebte an ihrer Haut und lachte. Später haben wir Johannisbeeren gegessen und Mutter hat Fladenbrot gebacken. Mutters Fladenbrot war das Beste. Das war ein schöner Tag gewesen. Was würde dagegen sprechen, dass es wieder so sein könnte? Genau, Mutter ist nicht mehr in Kolonie D, Kayla ist es nicht und ich bin es auch nicht. Und selbst, wenn wir es noch wären, nichts könnte uns garantieren, dass wir den Winter überleben würden.
Das schabende Geräusch reißt mich aus meinen Erinnerungen. Ich öffne die Augen, will es nicht, kann mich aber nicht dagegen wehren. Lucas Hand legt sich wieder auf meinen Mund. Er schüttelt warnend den Kopf. Dann kann ich es sehen.
Fast doppelt so hoch wie Luca, und Luca ist schon einen Kopf größer als ich. Mindestens so breit wie einer der Tesaren-Laster kommt die Bestie auf uns zu. Wenn Luca nur noch ein kleines Stückchen größer wäre, dann könnte ich nicht über seine breiten Schultern sehen, dann könnte ich dieses grauenvolle, stinkende Monster nicht sehen. Aber Luca ist nicht größer, und aus lauter Angst kann ich meine weit geöffneten Augen nicht mehr schließen. Ich starre also mit hämmerndem Herzen direkt in die Augen dieser außerirdischen Kreatur, die hässlicher ist, als ich es mir je hätte vorstellen können.
Sie bewegt sich auf vier Füßen fort, die einen Menschen zermalmen könnten. Sie könnte ihren Fuß auf den Körper eines Mannes stellen und nur sein Kopf und die Glieder würden noch darunter hervorgucken. Das schabende Geräusch macht sie beim Ausatmen. Dann flattern ihre Nasenlöcher wie ein Tuch im W ind. Sie ist ganz schuppig und matschfarben. Wenn es dunkel wäre, kaum auszumachen, denke ich mit Grauen. Dieses Monstrum bewegt sich bedrohlich
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