Tesarenland (German Edition)
Hocke, um Luca auszuweichen.
»Lass es uns tun, für Mama, bitte !«
Ich sehe zu Luca auf, er blickt mir forschend in die Augen. »Die haben auch gute Medikamente«, sagt Luca und zieht die Augenbrauen hoch. »Und ein Labor.«
Ich weiß, ich kann ihm vertrauen, das stand nie außer Frage. Ich mache mir nur Sorgen um Kayla. Die Angst vor ihrer Krankheit ist allgegenwärtig. Sie umgibt mich, flüstert mir beständig ins Ohr. Das Blut auf ihren Lippen und an ihren Händen hat mich in Panik versetzt. Außerdem hat Mutter doch gesagt, dort draußen hätte Vater gesund werden können. Also gilt das doch auch für Kayla.
Mutters Worte gehen mir in den letzten Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Früher habe ich nie darüber nachgedacht. Doch zurzeit sind sie alles, was ich habe. Alle Hoffnung liegt in diesen Worten meiner Mutter, geflüstert über dem toten Körper meines Vaters. Und eigentlich gibt es nicht viel zu überlegen. Was bitteschön würden uns sonst für Optionen bleiben?
Luca nickt in Richtung meiner kleinen Schwester, die hoffnungsvoll zwischen uns hin und her sieht. Ich weiß, er will sagen: »Vielleicht können sie auch ihr helfen .« Ich kann es in seinem Gesicht ablesen, als er ihr seine Hand an die Wange drückt. Sie ist eine Fremde für ihn und trotzdem ist es, als gäbe es für ihn nichts wichtigeres als das Glück dieses Kindes. Lucas Fürsorge für meine Schwester berührt etwas tief in mir. Tränen steigen in meine Augen, ich blinzle sie hastig fort.
»Worauf warten wir noch ?«, frage ich und zeige in die Richtung, in die wir unterwegs waren.
»Na dann«, sagt Luca lächelnd und nimmt Kayla wieder auf seinen Rücken. »Ab in die Stadt. Du wirst staunen, was es da alles zu sehen gibt für ein so kleines Mädchen wie dich .«
Kayla schlingt ihre Arme um seinen Hals, drückt ihre Wange an sein Ohr und sagt lachend: »Sag nie wieder, dass ich klein bin, das bin ich nämlich nicht. Stimmt`s Brenna ?«
»Stimmt«, sage ich und mach mich daran, die beiden einzuholen. Wer bin ich, dass ich Kayla dieses bisschen Freude nehmen soll? Lass uns diese Chips loswerden, denke ich. Und ganz nebenbei diesen blöden Husten.
»Erzähl mir was über die vielen wundervollen Dinge«, verlangt Kayla von Luca.
Wir waren fast den ganzen Tag unterwegs. Haben uns durch unzählige kahle Büsche gekämpft, über Baumstämme, an einem See vorbei. Mehrmals hat es leicht geschneit. Eine Zeit lang haben wir Kayla abwechselnd getragen. Irgendwann hat Luca sogar ein Feuer gemacht, damit wir uns wärmen konnten. Er meinte, der Rauch könnte uns verraten, aber der Chip würde das auch tun, also wäre es egal. Wir sind ganz nah an das Feuer herangerückt. Luca hat von Generatoren und Monitoren und anderen – toren erzählt. Ich habe nichts verstanden, aber Kayla hat bei jedem Wort an seinen Lippen gehangen. Wir haben unser Wasser in einer leeren Metallbüchse warm gemacht und es getrunken. Es hat uns herrlich von innen heraus gewärmt.
Jetzt fühle ich mich zunehmend erschöpfter. Ich weiß nicht, warum ich mehr friere; wegen der Kälte oder der Müdigkeit? Meine Muskeln fangen an zu protestieren und meine Zehen stechen in den Schuhen. Ich hoffe, dass wir es bald in die Stadt schaffen. Es kann nicht mehr weit sein, sage ich mir. Vor einigen Stunden hat das noch geholfen, mittlerweile, macht es mir kaum noch Mut. Auch Kayla resigniert immer mehr.
Ich trotte hinter Luca her, der Kayla wieder auf seinem Rücken trägt. Kann es s ein, dass sie eingeschlafen ist? Seit einer Weile stellt sie keine Fragen mehr. Wahrscheinlich ist es besser so, wenn sie schläft. Jedes bisschen Ruhe hat sie sehr nötig, es kann sich nur positiv auf ihren Zustand auswirken.
Meine Augen heften sich auf ihren Rücken, so als könnte sie mich weiter voranziehen, wenn ich sie nur intensiv genug anstarre. Ich möchte meine Hand nach ihrer Schulter ausstrecken, möchte mich an sie hängen, möchte keinen Schritt mehr gehen. Meine Augen brennen. Ich muss unendlich viel Kraft aufbringen, sie offen zu halten. Ich versuche mit dem weißen Atem zu spielen, der meinen Mund verlässt, nur um mich etwas abzulenken. Mechanisch setze ich einen Fuß vor den anderen, beiße die Zähne zusammen und schlucke den Schmerz in den Ballen herunter.
Plötzlich dreht Luca um, kommt auf mich zugerannt, packt meinen Oberarm und zerrt mich mit sich hinter einen Baum. Er presst eine Hand auf meine Lippen. Ich starre ihn erschrocken an. Kayla starrt mich an. Sie will etwas sagen,
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