Tesarenland (German Edition)
schleichend auf uns zu. Ich halte Kaylas Kopf, sodass sie die Bestie nicht sehen kann.
Ein Beben geht durch meinen Körper. Das Ding schaut jetzt aus seinen dunklen Augen genau zu uns her. Seine Augen sind klein, für seine Größe. Sie verschwinden fast im Gesicht des Monsters. Es dreht den bulligen Kopf, geht einen Schritt in die andere Richtung, bleibt wieder stehen, sieht sich suchend um.
»Es kann schlecht sehen, nur wenn sich seine Beute bewegt, bemerkt es sie«, sagt Luca. Jetzt verstehe ich, warum er uns so starr gegen den Baum drückt, damit wir stillhalten. Ich mache mich so steif ich nur kann. Bemühe mich, nur flach zu atmen. Nur nicht die Aufmerksamkeit dieses Dings auf uns ziehen. Ich hoffe nur, dass Kayla durchhält. Ich kann spüren, wie ihr Rücken zuckt. Sie weint, versucht es zu unterdrücken, aber das Schluchzen kann jederzeit hervorbrechen.
Das Biest wendet sich weiter ab, immer noch suchend. Es hat uns offensichtlich aus den Augen verloren. Wir warten auch noch, als wir es nicht mehr sehen. Erst nach einer Ewigkeit lässt Luca uns los.
»Gut gemacht«, sagt er und klopft Kayla freundschaftlich auf die Schulter. Er mustert mich mit einem merkwürdig besorgten Blick. Hat er Angst, ich könnte einen Anfall von Wahnsinn bekommen? Er hat recht, ich bin nahe dran durchzudrehen. »Solange wir sie rechtzeitig mitbekommen, passiert uns nichts.«
»Und wenn nicht«, will ich wissen und versuche , meine Atmung zu beruhigen.
»Dann werden wir zur Mahlzeit .«
» Ihhh!«, ruft Kayla und schüttelt sich.
»Leider ist das noch nicht die schlimme Nachricht .« Luca schaut mich ernst an. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und hebt seinen Leinensack vom Boden auf. »Unser Ziel ist eine Tesarenstadt. Diese Viecher bewachen nur ihre Städte. Ich habe mich schon gewundert, dass es hier keine Wildhunde gibt.«
»Du meinst, wir bewegen uns auf die Stadt zu, in der wir in diesem Drecksloch eingesperrt waren ?«, frage ich entrüstet.
Einer der Aufseher hat mal erzählt, auf jedem Kontinent haben sie nur eine Stadt besiedelt. Die einzelnen Städte führen gegeneinander Krieg. So wie es die Menschen früher auch getan haben, sich gegenseitig bekämpft.
In Kolonie D sind wir einmal Zeugen einer solchen Auseinandersetzung geworden. Zwei kleine Fluggefährte, die sich direkt über unseren Köpfen einen Kampf geliefert haben. Ihre Fluggefährte sind mit Waffen bestückt, die die gleiche Energie von sich geben, wie sie in den Zäunen und auch in ihren Speeren steckt. Vielleicht bekriegen sie sich solange, bis sie einen Planeten in Schutt und Asche gelegt haben, und ziehen dann zum nächsten weiter. Vater hat mal gesagt, das sind Gebietskämpfe. Vielleicht gefällt es dem einen Clan in seiner Stadt nicht mehr und er findet die andere viel besser. Oder sie haben einfach zu viele von uns umgebracht und jetzt streiten sie um die wenigen verbliebenen Sklaven. Vielleicht haben sie aber auch einfach nur Spaß daran, Krieg zu führen.
Ich sehe Luca an und versuche, allen Zorn in meinen Blick zu legen, denn schlimmer hätte es wirklich nicht kommen können. »Wirklich toll. Kein Wunder, dass sie uns nicht folgen, wo wir ihnen doch direkt in die Arme laufen«, sage ich. Beinahe hätte ich geschrien, nur der Gedanke, dass dieses Ding noch immer in der Nähe ist, hat mich davon abgehalten.
»Du hast allen Grund sauer zu sein .« Luca fährt sich mit den Fingern durch sein struppiges Haar. Mir ist aufgefallen, er macht das immer, wenn er nervös ist. Er wirft mir einen vorsichtigen Blick zu und schaut dann zu Kayla. »Vielleicht ist das gar nicht so schlecht.«
»Was soll daran nicht schlecht sein ?«, frage ich und meine Stimme bricht vor Wut weg und klingt schrill. Ich schlucke und wende mein Gesicht ab, weil mir der Klang meiner Stimme unangenehm ist. Kayla dreht sich um und trottet zu einem umgefallenen Baumstamm und setzt sich. Sie verschränkt die Arme und zieht eine Flunsch. Ich muss lächeln. Das hat sie auch immer gemacht, wenn ich mich mit Mutter gestritten habe.
»In ihren Städten gibt es Strom«, sagt Luca und lächelt auch.
»Strom?«, sage ich und schaue ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Ja, den brauchen wir für das Funkgerät .« Er zögert, reibt sich über seinen Arm und in seinen Augen erlischt für einen Moment das Leuchten. »Wenn wir Glück haben, erwischen wir einen unserer Leute auf Erkundung.«
»Und?« Ich stemme die Hände in die Hüften und tippe mit der Fußspitze auf den Waldboden,
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