Tesarenland (German Edition)
den Fersen. Luca hält noch meine Hand. Ich sehe zurück und frage mich, warum wir nicht einfach versuchen, zu fliehen. Im Gang hinter uns kann ich keine anderen Tesare mehr sehen. Luca scheint zu erraten, was mir durch den Kopf geht, er umschließt meine Hand fester. Ich nehme das als Warnung.
In diesem Gang gibt es ähnliche Zimmer mit ähnlicher Ausstattung. Nur die Bewohner der Becken sind andere. Diese hier sind Erwachsene. Sie schweben aufrecht im Karamwasser, die Augen geschlossen, als würden sie im Wasser schlafen. Die großen Nasenlöcher auf ihrer Stirn sind fest zu einem Strich verschlossen. Dafür haben sich mehrere Ritzen unterhalb ihrer Kiefer am Halsansatz geöffnet, die ich früher nie bemerkt habe. Sie bewegen sich wellenförmig. Das Gesamtbild wirkt irgendwie harmonisch. Ich schätze, die Tesare sind nur zu anderen Spezies so grauenvoll. Ich mustere den Wächter, der uns durch den Korridor führt. Jetzt, wo ich weiß, dass die Ritzen da sind, kann ich die feinen Rillen auch in seiner Haut sehen.
Noch eine Biegung, dann bleibt er vor einem Zimmer stehen, das von einem anderen Tesaren bewacht wird. Der Wächter lässt seine schwarzen Augen über Luca gleiten, dann zieht er einen Scanner aus seiner Jackentasche. Er scannt uns, gluckst etwas und öffnet die Tür in seinem Rücken. Wir werden in einen hellen Raum gestoßen. Die Tür wird geschlossen. Kayla und ich bleiben ratlos in der Mitte stehen. Es gibt mehrere Matratzen auf dem Boden, ansonsten ist das Zimmer leer, aber sauber.
Luca tritt an das Fenster heran, durch das tief orangenes Licht fällt. Die Sonne geht unter. Nur noch wenig Zeit, bis wir den Rebellen treffen sollen. Luca sieht gar nicht glücklich aus. Er lehnt seine Stirn gegen das Glas und stöhnt tief. Mit der geschlossenen Faust klopft er gegen das Glas.
»Und jetzt ?«, fahre ich Luca an. Die Verzweiflung die er scheinbar empfindet, die kann ich nicht spüren. Ich fühle nur Wut in mir, ob auf Luca oder die Tesare, kann ich nicht sagen. »Sind wir so weit gekommen, um jetzt hier zu enden? Was glaubst du, was sie mit uns tun werden?«
Luca dreht sich langsam zu mir herum. »Woher soll ich das wissen? Sie werden uns töten, foltern, zu Leibsklaven machen. Nicht unbedingt in der Reihenfolge, ich weiß es nicht.« Er klingt genervt. Er lässt sich auf eine der Matratzen fallen und schließt die Augen.
»Willst du einfach darauf warten ?«, frage ich ihn wütend.
»Was glaubst du, kann ich schon tun ?«
Alles! Ich dachte, du kannst alles tun. »Na du bist doch der Rebell!« Am liebsten möchte ich ihn vom Boden hochzerren. Er kann doch nicht einfach aufgeben! Aber ich weiß, es gibt keinen Ausweg. Vor der Tür steht ein Wächter, vor den Fenstern sind Gitter.
Kayla zupft an meinem Arm. »Was ?«, herrsche ich sie an.
»Mir geht es nicht gut. Ich glaub, ich bin wieder krank .« Sie hat es kaum ausgesprochen, da fängt sie an zu husten. Blut quillt aus ihrem Mund, läuft ihr Kinn herunter und tropft auf den grauen Boden. Dann bricht sie zusammen, fällt einfach vor meine Füße. Ich starre fassungslos auf ihren kleinen Körper herunter, auf das Blut in ihrem Gesicht, auf die verdrehten Augen. Ich kann mich einfach nicht rühren. Es scheint, als hätte mein Körper vergessen, wie das funktioniert.
Luca springt auf, nimmt sie auf seine Arme und legt sie auf eine der Matratzen. Er lauscht auf ihrer Brust und wischt ihr dann den Mund sauber. »Sie ist bewusstlos«, sagt er bestimmt.
»Ihr ging es doch wieder gut«, stammle ich schockiert. Meine Hände zittern so sehr, dass ich sie an meine Seiten drücken muss. »Ihr ging es wieder gut.«
»Sie hat schon ein paar Stunden kein Medikament mehr genommen .« Luca kramt aus Kaylas Tasche die braunen Fläschchen heraus und flößt ihr ihre Medikamente ein. Sie schluckt, hustet und würgt, schließt dann wieder ihre Augen und bleibt schlaff in Lucas Armen liegen. »Lassen wir sie erst mal ausruhen.«
Ich weiß kaum, wie ich mit der Situation umgehen soll. Jedes Mal, wenn Kaylas Zustand so schlecht ist, bin ich wie erstarrt. Luca dagegen bleibt immer ruhig und gelassen. Nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen. Aber ich, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich bin dem nicht gewachsen. Meine Angst, Kalya zu verlieren, erschlägt mich, macht mich handlungsunfähig.
Tesarenschiff
Naél läuft eilig den langen Korridor entlang. Diese Kinder geben ihm Rätsel auf. Der Auslöser hat widersprüchliche Ergebnisse
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