Tesarenland (German Edition)
wir uns nicht wehren werden.
Ich greife nach Kayla und schiebe sie hinter mich. Sie krallt ihre Finger in den Saum meiner Jacke. Der Tesar kommt näher, bleibt vor uns stehen und schiebt mit der Spitze seines Speers die Kapuze meiner gefütterten Jacke aus meinem Gesicht. Er gluckst etwas, als er bemerkt, dass ich kein Brandzeichen trage. Dann stößt er mir seine Speerspitze so fest in den Magen, dass ich vor Schmerz auf die Knie falle.
Kayla schreit meinen Namen und stürzt auf mich zu. Der Wächter richtet seine Waffe auf sie. Ich schnappe panisch nach Luft und will mich auf den Tesar stürzen. Luca ist schneller. Noch bevor ich mich aufgerappelt habe, hat er sie erreicht. Er stellt sich mit einem Satz zwischen den Tesar und Kayla. Wieder hebt er beschwichtigend die Hände. »Sie hat nur Angst«, redet er auf den Wächter ein. Auf seiner Stirn steht Schweiß, und ich kann den Puls an seinem Hals rasen sehen.
Ich glaube nicht, dass er Luca versteht, aber er lässt von Kayla ab und stößt Luca in Richtung Straße. Mühsam erhebe ich mich. Mein Bauch schmerzt, aber ich kneife die Lippen zusammen und folge Luca und Kayla in dem Bewusstsein, unsere Flucht endet hier. Es fällt mir schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Meine Beine fühlen sich vor Angst wie erstarrt an. Ich wäge unsere Möglichkeiten ab. Das Beste, was uns jetzt noch passieren kann, ist, dass wir wieder in das Minenlager geschickt werden. Das Schlimmste ist der Tod. Vielleicht aber, ist auch der Tod das einzig Gute für uns.
Der Tesar bringt uns in eins dieser riesigen Häuser, die bis zum Himmel reichen. Wir betreten einen endlos wirkenden Gang. Rechts und links gehen Türen ab. Manche stehen offen, andere sind geschlossen. Leibsklaven laufen geschäftig herum. Kaum einer beachtet uns, und die, die uns beachten, werfen uns mitleidige Blicke zu. Ich verstehe nicht warum. Ihre Situation ist nicht besser als unsere. Der Gang wirkt düster. Alle paar Meter gibt es ein schwaches Licht, das bizarre Schatten auf die dunklen Wände und den Boden wirft. Ganz anders als in dem Haus, in dem wir vor wenigen Tagen eingesperrt worden waren, scheint es hier peinlich sauber zu sein.
Ein Mädchen in mei nem Alter hält in ihrer Arbeit inne, als wir an ihr vorbeigehen. Auf dem Boden kniend blickt sie zu Luca auf. Er lächelt sie an und zwinkert ihr zu. Sie senkt verlegen den Kopf. Ich kneife die Augen zusammen und schiebe den Unterkiefer vor. Ich muss zugeben, mit ihren langen blonden Locken sieht sie hübsch aus. Nur das Sklavenmal auf ihrer Stirn entstellt ihr sonst attraktives Gesicht. Sie hält den Lappen, mit dem sie den Boden geputzt hat, fest umklammert und schaut Luca unter langen Wimpern schüchtern an. Kayla streckt ihr die Zunge raus, als sie an ihr vorbeigeht. Ich muss schmunzeln.
Wir kommen an einer offenen Tür vorbei. Der Wächter bleibt stehen, unterhält sich mit einem anderen Alien. Ich nutze die Gelegenheit und werfe einen Blick in den offenen Raum. Das Licht im Inneren schimmert grün. Mir schlägt feuchte, warme Luft entgegen. In der Mitte steht ein großes gläsernes Becken in dem genug Wasser sein muss, um den halben Raum zu ertränken. Karam schwebt sanft in der trüben Flüssigkeit. Ein Junge, nur wenig älter als Kayla, steht vor dem Becken und reinigt das Glas mit einem langen Stock, an dessen Ende sich ein breiter Gummi befindet. Etwas teilt das Meer aus Karamblättern, pflügt sich durch den Vorhang und gleitet an das Glas heran. Dunkle Augen schauen auf den Jungen. Hände klopfen gegen die Scheibe.
»Das ist ein Tesarenbaby«, flüstert Kayla neben mir geradezu ehrfürchtig. Das Kleine bewegt sich langsam in unsere Richtung. Es hat Kayla entdeckt und fixiert sie. Seine breiten Finger drücken sich an das Glas, als wollten sie nach Kayla greifen. Dieser kleine Tesar, kaum größer als ein Menschenkind von drei Jahren, wirkt so harmlos, fast niedlich. Ich kann kaum glauben, dass er sich mal zu einem gefühllosen Mörder entwickeln wird.
Luca greift nach meiner Hand und zieht uns weiter. Der Tesar gluckst ungeduldig. Wahrscheinlich hat er schon vergeblich versucht, unsere Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. Wir folgen ihm weiter an offenen Türen vorbei in denen noch mehr solche Glasbehälter stehen. Ich vermute, das hier ist so was wie eine Geburtsstation für Tesare. Ich frage mich, wozu sie uns gerade hier herbringen. Sollen wir ihnen beim Baden ihrer Babys helfen?
Wir biegen in einen anderen Gang ab, immer dem Wächter auf
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