Tessy 02: Tessy und die Lust des Mörders
Sache?“
„Du bringst eine Zeitungsmeldung vom Tod meines Informanten nach einer Schlägerei im Milieu unter. Damit ist er auf der sicheren Seite, wenn ich das mal so formulieren darf.“
Stille.
„Es reicht ein kleiner Artikel – von wegen Streit über Spielschulden und so weiter. Dazu eine Personenbeschreibung. Nichts Großartiges – so, dass du den Text ohne Prüfung an der Chefredaktion vorbei kriegst und im Blatt platzieren kannst.“
Schweigen.
„Jannick!“
„Meine Güte, Tessy, das ist dein Ernst, nicht wahr?“
„Natürlich.“
„Aber…“
„Ich sehe keine andere Möglichkeit, sonst würde ich dich nicht bitten“, fiel sie ihm energisch ins Wort. „Der Typ hat Material, bei dem sich dir der Magen umdreht und mir auch. Was meinst du, warum ich heute Nacht kein Auge zukriege? Außerdem tickt der Junge bald ab vor Angst.“
Schweigen.
„Jannick? Sag was, bitte!“
„Wann?“
„Am besten sofort. Ich schicke dir gleich ein paar Stichpunkte…“
„Nö, nö – du schreibst den Artikel mal schön selbst. Das wirst du ja wohl nicht verlernt haben, oder? Ich kümmere mich darum, dass er ungeprüft durchgeht. Und wenn alles gelaufen ist, hab ich ein Bier bei dir gut. Oder auch zwei.“
Tessy lächelte. „Okay. Danke.“
Eine halbe Stunde später mailte sie Jannick einen Fantasietext über eine tätliche Auseinandersetzung in der Nähe des Bahnhofs Zoo, in deren Folge ein noch nicht identifizierter, großer sportlicher Mann, ungefähr vierzig Jahre alt, dunkelblond, schwarzer Mantel, ausgeraubt und später ums Leben gekommen war. Die Polizei vermutete aufgrund von Zeugenaussagen, dass es bei dem Streit um Spielschulden gegangen war, und bat um sachdienliche Hinweise. Und so weiter und so fort. Wenn alles gut ging, erschien der Artikel übermorgen.
Als nächstes musste sie nur noch Oliver davon überzeugen, dass er für Brandner nun ein toter Mann war und darum nahezu risikolos seine Videodateien der Polizei übergeben konnte. Aber das hatte noch ein paar Stunden Zeit.
Es war vier Uhr früh, als Tessy schließlich schlafen ging – erschöpft, aber zufrieden mit sich. Oder besser gesagt: Sie hatte eine Strategie, und es war ihr gelungen, ihr Gewissen zu beruhigen.
Siebtes Kapitel
Oliver ging nicht an sein Handy, weder um elf Uhr vormittags, als Tessy gerade aufgestanden war und ihren ersten Kaffee trank, während sie nebenbei die wegen des späten Frühstücks sichtlich verstimmten Katzen versorgte, noch um halb zwölf und auch nicht um eins. Es war nicht auszuschließen, dass er ihre Anrufe ignorierte, um ihr aus dem Weg zu gehen, andererseits wusste Tessy zu viel über ihn und seine Geschichte. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Sie war beunruhigt. Um halb zwei machte sie sich auf den Weg in Richtung Wedding, diesmal mit dem Wagen.
In Tempelhof fiel ihr zum zweiten Mal ein dunkelblauer BMW auf. Vielleicht fiel ihr auch nur auf, dass hinter ihr ein BMW fuhr – schon wieder. Ob es sich um ein und denselben handelte, vermochte sie nicht zu sagen. Schicker Wagen, dachte sie bewundernd, als sie den Platz der Luftbrücke hinter sich ließ und Kreuzberg anpeilte. Auch auf dem Mehringdamm blieb der Wagen hinter ihr. Sie blickte in den Rückspiegel: ein Typ mit Brille und Basecap.
Am Halleschen Tor bog sie in Richtung Möckernbrücke ab, das taten viele andere auch, unter anderem der blaue BMW. Tessy biss sich auf die Unterlippe. Sie fuhr etwas langsamer, doch der BMW überholte nicht. Das war ungewöhnlich. BMW-Fahrer lebten ja quasi auf der Überholspur, noch dazu mitten in Berlin und gelenkt von einem Typen mit Brille und Basecap. Das mochte ein Vorurteil sein, das sich aber oft bestätigte.
Am Schöneberger Ufer bog sie unvermutet in die Stauffenbergstraße ein und parkte bei der nächstbesten Gelegenheit vor einem Kiosk. Sie stieg aus, blickte sich nicht um, kaufte einen Coffee to go und stieg leise pfeifend wieder in den Wagen. Aus den Augenwinkeln sah sie den BMW auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinter einem Möbelwagen stehen. Ihr Herzschlag hatte sich deutlich beschleunigt. Schöne Scheiße, dachte sie. Brandner traut mir nicht und streckt seine Fühler aus. Würde ich an seiner Stelle wahrscheinlich auch tun.
Sie überlegte einen Moment, startete dann den Motor, wendete und düste weiter Richtung Tiergarten, nahm aber an der Siegessäule nicht den Abzweig in den
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