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Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Titel: Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wolf
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eine Viertelstunde, und normalerweise genoss sie es mit allen Sinnen, sich auf diese Weise auszupowern, zumindest hier draußen. In Richtung Kreuzberg und Mitte war Radfahren der reinste Stress.
    Kerstin hatte eine halbe Stunde zuvor angerufen. Ihre Stimme war von Wut, Trauer und Frust erfüllt gewesen, und Tessy hatte sich sofort auf den Weg gemacht. Die kleine Dachkammer, die sie als Schlafzimmer nutzte, konnte sie auch ein anderes Mal streichen.
    Patricks Tod lag eine gute Woche zurück. In den vergangenen Tagen hatte Tessy darauf verzichtet, weitere Details über die polizeilichen Ermittlungen in Erfahrung bringen zu wollen – die bislang vorliegenden Ergebnisse klangen immer noch so unvorstellbar, dass sie Mühe hatte, sie zu verdauen. Dafür war sie täglich bei Kerstin gewesen, hatte ihr manche Arbeit und Erledigung abgenommen und sich all den Kummer angehört, der über eine Frau hereinbrach, die plötzlich und unerwartet Witwe geworden war. Noch dazu auf diese Weise. Ansonsten hatte Tessy im Haus gewerkelt. Leider hatte Gertrud wenig Zeit gehabt, so dass sie immer noch nicht dazu gekommen waren, den Dildo auszuprobieren.
    Eigentlich müsste ich mich endlich mal um einen Job kümmern, dachte Tessy, als sie in die Straße einbog, in der Kerstin wohnte. Sogar dringend. Sie ließ ihren Blick über die akkuraten Häuser und hübschen Gärten schweifen, während ihr Atem sich allmählich beruhigte. Ihren Kontostand fragte sie schon gar nicht mehr ab, und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie ihren betagten Renault das letzte Mal voll getankt hatte. Den Notgroschen, den Edgar ihr zurück gelassen hatte, wollte sie nicht anrühren – noch nicht. Blieb also nur ein Job – und sei es zunächst nur irgendeiner, so lange sie noch nicht wusste, wie es beruflich weitergehen sollte.
    Dass man sich im Tagesblatt eines Besseren besinnen und die Kündigung zurückziehen würde, war genauso wahrscheinlich wie die Erwartung, ganz zufällig mit Anne Will in einem Bett zu landen. Es war nicht besonders schlau gewesen, den schwelenden Ärger über ihren Chefredakteur in einem heftigen Streit zum Ausdruck zu bringen und sich nach der Betriebsfeier einen knackigen One-Night-Stand mit seiner Freundin zu gönnen, was ihm nicht verborgen geblieben war. Wenn sie ehrlich war, hatte das nicht ohne Folgen bleiben können. Andererseits haderte sie seit geraumer Zeit mit Job und Chef und war bislang nur zu bequem und zu feige gewesen, die Konsequenzen zu ziehen und nach beruflichen Alternativen zu suchen. Schließlich war sie gerade mal fünfunddreißig.
    Kerstin lebte mit ihren Kindern in einem schnuckeligen Häuschen mit Garten, das sie sich nach der Trennung von ihrem Mann weiterhin hatte leisten können, weil ihre Eltern zur Finanzierung erheblich beigesteuert hatten und sie in einem gut gehenden Zahntechniklabor überdurchschnittlich verdiente. Patrick hatte den Kindern einen Fonds für deren Ausbildung hinterlassen und schon vor Jahren eine üppige Lebensversicherung abgeschlossen. Geldsorgen hatte sie glücklicherweise keine. Wenigstens etwas.
    Tessy schob ihr Fahrrad in den Garten und ging ums Haus herum. Kerstin saß auf der Terrasse. Ihre sonst beim kleinsten Sonnenstrahl aufblitzenden Sommersprossen waren in dem bleichen Gesicht kaum auszumachen. Tessy drückte ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange und ließ sich in den zweiten Stuhl fallen. Auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen stand das obligatorische Kaffeegeschirr, außerdem Saft und Wasser. Tessy bediente sich unaufgefordert.
    „Die Kinder sind bei einer Theateraufführung in der Schule“, erklärte Kerstin. „Ich konnte sie dazu überreden.“
    „Gute Idee“, kommentierte Tessy. „Was wolltest du mir am Telefon nicht sagen?“, schob sie kurz darauf hinterher.
    „Ich war vorhin noch mal bei der Kripo und habe mit dem Hanter gesprochen.“
    „Und? Gibt es was Neues?“
    Kerstin räusperte sich. „Wie man es nimmt … Sie werden das Ermittlungsverfahren einstellen.“
    Damit war zu rechnen gewesen, dachte Tessy.
    „Einstellen müssen“, fuhr Kerstin fort. „Es gibt nach wie vor keinerlei Anzeichen für ein Verbrechen oder Spuren von Fremdeinwirkung. Dafür steht inzwischen endgültig fest, dass Patrick soviel Schlaftabletten geschluckt hatte, dass sie von einem Suizid ausgehen. Man nimmt ja nicht aus Versehen soviel Tabletten, meint Hanter.“
    „Ja, schon, aber …“
    Kerstin winkte ab. „Der Gerichtsmediziner meint, dass die Menge

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