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Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Titel: Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauritius Much
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Lederklamotten und Doc-Martens-Stiefel mit Stahlkappen. Der eine hat einen zehn Zentimeter hohen, feuerroten Iro, der andere eine Glatze rasiert und nur noch eine einzige Haarsträhne auf dem Kopf, die ihm ständig ins Gesicht fällt. Der kahl rasierte Punk hat einen schwarz-weiß gefleckten Staffordshire-Terrier-Welpen, einen jungen Kampfhund, auf dem Arm.
    Plötzlich klopft jemand an die Fahrerscheibe. Es ist der Typ mit dem roten Irokesenschnitt. »Bist du Claudia?«, krächzt er halblaut. Dieselbe müde Stimme wie vorhin am Telefon.
    Ach du Scheiße, schießt es Claudia durch den Kopf. »Äh ja, ich bin Claudia«, stammelt sie.
    »Das ist … super«, sagt die müde Stimme ganz langsam. »Ich bin Mike … und das da ist mein Kumpel Sam … und das da ist der kleine George.«
    Claudia starrt erst die beiden Punks und dann den Welpen an. Von einem Hund war am Telefon keine Rede, und jetzt kommen die beiden mit einem Kampfhund! »Ihr habt einen Hund dabei …?«, stottert Claudia.
    »Den haben wir erst voll kurz … weil … der Besitzer keinen Bock mehr drauf hatte«, sagt Mike.
    Normalerweise mag Claudia Hunde, aber dass ein Mitfahrer unangemeldet einen Kampfhundwelpen mitbringt, passt ihr überhaupt nicht. Aus ihrem Schock wird Ärger. Na warte, denen werde ich was erzählen, denkt sie. Gerade will sie ihrem Ärger Luft machen, da unterbricht sie eine verrauchte Stimme neben Mike. »Kannste mal den Sitz hochklappen und dann zur Seite gehen, damit wir uns hinten reinsetzen können«, sagt der andere Punk. Claudia ist sprachlos. Jetzt setzen sich beide Punks mit ihrem Hund einfach auf die Rückbank. Das war überhaupt nicht ausgemacht. So was ist doch unverschämt! Aber Claudia ist zu perplex, um sich zu wehren. Die Punks haben einfach Fakten geschaffen.
    Claudia versucht, ihren Ärger runterzuschlucken. Sie denkt an die 50 Euro. Fünf Stunden Fahrt gehen auch vorbei. Dann habe ich die Kohle und die beiden Punks bin ich los. Kaum läuft der Motor, hört sie hinter sich, wie die beiden in ihren schwarzen Armeerucksäcken kramen. Dann zischt es plötzlich. Ein Blick in den Rückspiegel bestätigt ihr, was sie befürchtete: Mike und Sam haben aus ihren Rucksäcken zwei Bierflaschen geholt und geöffnet. Natürlich trinken sie Sternburg Export Pils, das billigste Bier. Jeder, der in Berlin Punk, Hausbesetzer oder sonst irgendwie links ist, greift zum »Sterni«.
    Fragen hätten die beiden schon können, ob sie während der Fahrt Bier trinken dürfen, ärgert sich Claudia. Aber jetzt sitzen die beiden blöderweise schon in ihrem Auto. Und zwei bullige, erwachsene Männer einfach so rauswerfen – das traut sie sich nun wirklich nicht … Überhaupt, was riecht denn hier so übel? Claudia hält sich ihre linke Hand vor die Nase. Doch, der penetrante Geruch ist definitiv Schweiß! Im Rückspiegel erfährt Claudia auch den Grund für den Gestank: Der rote Irokese hat sich seine Lederjacke ausgezogen, darunter trägt er nur ein weißes Unterhemd. Es sieht aus, als hätte es vor mehreren Wochen zum letzten Mal eine Waschmaschine gesehen. Die Kombination von schmutzigem Unterhemd und Lederjacke auf bloßer Achsel … auch das noch.
    Der schwarze Ford Ka passiert Potsdam und fährt auf der A2 weiter Richtung Magdeburg. Immerhin, eine halbe Stunde hat Claudia schon geschafft. »Hey …, kannste mal anner Seite ranfahren … George muss ma…« Der Mann mit dem roten Iro deutet auf den Kampfhundwelpen. Tatsächlich winselt der kleine Hund. Mechanisch steuert Claudia den nächsten Rastplatz an. Gemütlich schält sich dort Sam aus dem Rücksitz, klappt den Beifahrersitz um und steigt aus. Ständig bläst er seine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann drückt ihm sein Kumpan den Welpen in die Hand. Ein paar Schritte trottet der Punk mit der Glatze vom Auto weg zu einer kleinen Grünfläche. Dann setzt er George ins Gras. Sofort pinkelt der Kleine.
    »Weißte …, der Kleine … is nich… stubenrein«, sagt der Irokese, schaut auf den pinkelnden Hund und lacht laut. »Wenn er zum … Winseln anfängt … dann musste aber schnell … ranfahren.« Tatsächlich meldet sich der Hund noch viermal während der Fahrt. Jedes Mal muss Claudia dann den nächsten Parkplatz anfahren.
    Zurück im Auto fingert Sam am Seitenfenster. Es dauert, bis er den Verschluss aufkriegt und das Fenster zwei Spaltbreit öffnet. Weiter lassen sich bei einem Ford Ka die beiden Klappfenster an der Rückbank nicht öffnen. Gott sei Dank, denkt sich

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