Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
»Darf ich dich in den Arm nehmen?«
»Du, ich muss dir was sagen. Ich habe einen Freund.«
Das ist nicht ihr Ernst! Versteinert schaut Kurt sie an, er kann es nicht fassen. Den ganzen Abend hat sie ihm schöne Augen gemacht, sie saßen schon etliche Stunden zusammen im Auto, aber nie hat sie auch nur einen Ton von einem Freund erwähnt. Was soll denn der Scheiß? Mache ich mich hier denn komplett zum Affen?
Diana ärgert sich über sich selbst. Das war wirklich der dümmste Zeitpunkt. Aber immerhin, sie ist ehrlich. Das will sie auch weiter bleiben. »Es ist aber keine richtige Beziehung mehr. Wir haben gewaltige Probleme, jetzt mal ganz unabhängig von dir – ich will mich von Carsten trennen.«
Gott sei Dank. Kurt atmet auf. Es ist noch nicht alles verloren. Aber ein bisschen komisch fühlt es sich schon an. Kein Wunder, dass es schwer war, sich mit ihr zu verabreden. Aber andererseits: Wenn sie noch viel für ihn empfinden würde, wäre sie jetzt nicht hier bei ihm. Kurt nimmt sie in den Arm und beschließt einfach weiterzumachen wie bisher. Besser gar nicht mehr über den Freund reden. Die Sache soll sie schön selber regeln, jetzt geht es nur um sie beide. Sie küssen sich … und dann bleibt Diana die ganze Nacht …
Diana muss die Beziehung mit Carsten sofort beenden, das ist klar, als sie sich am nächsten Morgen von Kurt verabschiedet. Denn eine Hängepartie haben beide nicht verdient. Und ihr Herz gehört jetzt Kurt. Doch wie geht es dann weiter? Immerhin wohnt sie mit Carsten zusammen.
»Du kannst gerne bei mir einziehen«, sagt Kurt ein paar Tage später. »Meine Wohnung hat drei Zimmer, die ist für eine Person eh zu groß.«
Uff, das geht jetzt aber etwas schnell. Diana hat doch eben erst mit Carsten Schluss gemacht. Sie ziert sich. Vor sechs Wochen wusste sie noch gar nichts von Kurt, ein paar Nächte hat sie erst mit ihm verbracht – und dann soll sie gleich mit ihm zusammenziehen? Andererseits muss sie aus der Wohnung mit Carsten raus. Dort hält sie es keinen Tag länger aus. Und wo findet sie in München so schnell eine Bleibe? Das ist hoffnungslos. Sie überlegt hin und her und beschließt, es einfach mal mit Kurt zu probieren. Was hat sie denn zu verlieren? Wenn’s nicht klappen sollte, kann sie immer noch eine eigene Wohnung suchen.
Doch Dianas Sorgen sind unbegründet. Es funktioniert bestens. Sie wohnen immer noch zusammen in derselben Wohnung, mittlerweile sind die beiden sogar miteinander verheiratet und haben einen kleinen Sohn. Damit war Kurt bei der Namensgebung absolut frei. Wäre es ein Mädchen geworden, hätte sie Korona heißen müssen – wie der zarte Strahlenkranz, der bei einer totalen Sonnenfinsternis als einziges Teil der Sonne nicht verdeckt wird. Schließlich hätte Kurt Diana niemals kennengelernt, wenn er nicht die Wette mit der totalen Sonnenfinsternis verloren hätte. Jetzt ist seine Frau zum zweiten Mal schwanger. Wer weiß, vielleicht krabbelt doch bald eine kleine Korona durch Kurts Wohnung …
In jeder Stadt gibt es einen zentralen Ort, von dem fast alle Mitfahrgelegenheiten starten. Meist ist das der Hauptbahnhof. Berlin hingegen tickt anders – wie immer. Hier fahren die meisten Mitfahrgelegenheiten am ZOB beim ICC los. Der Zentrale Omnibusbahnhof beim Internationalen Congress Centrum am Messedamm liegt nicht im Stadtzentrum, sondern ganz im Westen, direkt an der Stadtautobahn. Von dort ist man sofort auf der Avus, der A115, die in fünfzehn Minuten auf die Autobahnen nach Süden und Westen führt.
Der Alexanderplatz hingegen liegt zwar genau im Zentrum Berlins, ist aber überhaupt nicht die erste Adresse für Mitfahrgelegenheiten. Insofern hatte sich Claudia schon ein wenig gewundert, warum ihre beiden Mitfahrer partout auf dem Alex als Treffpunkt beharrten. Mit ihrem schwarzen Ford Ka steht sie an einer Baustelle an einer Ecke des Platzes und wartet. Eigentlich ist sie kein Fan der Mitfahrzentrale, aber für die Fahrt nach Köln bekommt sie von den beiden Mitfahrern zusammen 50 Euro. Das ist nicht wenig. Also hat sie die Anzeige ein paar Stunden vor Abfahrt doch noch ins Internet gestellt. Und prompt hat ein Mike am Telefon zwei Plätze gebucht.
Na super. Vor einer Viertelstunde wollte Claudia schon losfahren, doch ihre Mitfahrer tauchen einfach nicht auf. Nur zwei Punks schlendern über die Baustelle, doch die beachtet Claudia erst mal nicht weiter. Schließlich ist der Alex der Punkertreff Berlins, das weiß jeder. Beide tragen schwarze
Weitere Kostenlose Bücher