Testobjekt Roter Adler
Weshalb sie von dem schwerbewaffneten Fahrzeug nicht Besitz ergriffen hatte, sondern mit den darin gelagerten Infanteriewaffen geflüchtet war, wurde mir erst klar, als die drei Männer des Sicherheitsdienstes atemlos bei mir ankamen.
Ich hielt sie zurück. Die Felsen glühten immer noch.
»Wir haben alles beobachtet und sie sofort unter Feuer genommen«, erklärte der Captain atemlos. »Ich fuhr Streife. Mein Gleiter steht hinter dem Wald. Mir war klar, daß ich sie auf keinen Fall in den Panzer hineinlassen durfte. Daher haben wir das Turmluk beschossen, aber sie konnte aus dem Beifahrerluk noch die Waffen herausreißen.«
»Und dann, Captain?« fragte ich scharf. »Warum haben Sie die Frau in eine gute Deckung entkommen lassen? Wissen Sie, daß sie soeben eine atomare Gewehrgranate auf Sie und Ihre Männer abfeuern wollte? Sie wäre wieder an den Panzer herangekommen. Warum haben Sie nicht schneller geschossen?«
Er zögerte mit der Antwort. Hannibal ging in weitem Bogen um die hitzeglühenden Felsen herum. Hinter uns landeten vier Hubschrauber. Uniformierte Männer sprangen heraus. Unter ih nen erkannte ich meinen höchsten Chef.
Vier-Sterne-General Reling kam langsam auf mich zu. Zugleich erklärte der Captain:
»Sir, ich habe Spezialbefehle erhalten. Es tut mir leid. Wir wollten sie lebend fassen.«
Reling schaute in unseren zerschossenen Wagen. Beim Anblick des toten Leutnants schluckte der Alte. Blässe überzog sein mahagonifarbenes Nußknackergesicht.
Der Psi-Diagnostiker Dr. A. Beschter bedeckte die Augen mit beiden Händen. Die umherstehenden Soldaten und anderen Wissenschaftler schwiegen bedrückt.
Ich wurde aufmerksam. Mußte man sich derart benehmen, wenn es im letzten Augenblick gelungen war, einen gefährlichen Attentäter unschädlich zu machen?
Reling blieb vor mir stehen. Er nickte schwach.
»Ich nehme an, Sie haben mit Thermonitalgeschossen feuern müssen, oder?«
»Stimmt. Sie wollte eine atomare Gewehrgranate abschießen. Was dann aus uns allen geworden wäre, können Sie sich vorstellen. Was ist hier eigentlich los, Chef?«
Ich schaute ihn zwingend und vielleicht auch etwas herausfordernd an. Er senkte den Blick.
»Mein Befehl war falsch«, sagte er rauh. »Ich hätte Sie auffordern müssen, mit wachen Sinnen aufzupassen. Diese – diese Frau war keine Attentäterin, auch keine eingesickerte Spionin. Sie war krank! Und Beschter, dieser verdammte Narr, hat uns mit seinem Experiment die Suppe eingebrockt. So sieht es aus, HC-9! Vier Tote im Panzer, ein toter Fahrer und eine verkohlte Kranke, das ist Beschters Erfolg.«
»Sie waren für ihre Sicherheit verantwortlich, nicht ich!« brüllte der Para-Wissenschaftler unbeherrscht. »Herr General, Sie sind genau darüber informiert gewesen, wie gefährlich es werden kann. Wieso konnte die Frau überhaupt das Versuchsgelände verlassen? Wieso? Wo waren Ihre unfehlbaren Sicherheitskräfte?«
Reling winkte ab. Nun wußte ich, daß auf Henderwon einige Dinge verkehrt gelaufen waren.
»Ich hätte schießen müssen, selbst wenn ich über den Zustand der Frau unterrichtet gewesen wäre«, betonte ich. »Die neuen Gewehrgranaten reichen zehn Kilometer weit und besitzen eine Sprengkraft von tausend Tonnen TNT. Zwanzig Stück davon haben zusammen die Gewalt der Hiroshima-Bombe. Das habe ich nicht riskiert, meine Herren.«
»Wer will hier eigentlich wen beschuldigen oder sich selbst reinwaschen?« fiel Dr. Samy Kulot ein. »Sie haben richtig gehandelt, wir haben Fehler gemacht. Meine Herren, ohne HC-9 hätten wir hier jetzt eine Atomhölle. Die Frau war auf Vernichtung programmiert.«
»Wer …
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