Testobjekt Roter Adler
meiner mitteilungsbedürftigen Seele. Hören Sie, junger Mann, Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, ist das klar? Wenn Sie Pech haben, müssen Sie nämlich morgen oder in einem Monat auf dreijährige Kinder schießen, oder Sie werden von ihnen ins Jenseits befördert. Sagt Ihnen das etwas?«
Wir waren allein. Nur Hannibal stand in Hörweite.
»Viel und doch nichts. Die bejahrte Dame war offensichtlich hypnosuggestiv beeinflußt.«
»Sie sagen es, nur liegt der Fall entschieden komplizierter. Das Testobjekt Roter Adler läuft auf vollen Touren.«
»Ist das eine Tarnbezeichnung?«
»Ja, und zwar die treffendste, die ich je gehört habe. Denken Sie einmal nach, wo sie tagtäglich und überall auf der Welt einen schönen, stolzen Adler von dunkelroter Farbe sehen können. Na, fällt Ihnen nichts ein?«
Ich schüttelte den Kopf. Telepathisch aushorchen wollte ich ihn nicht.
Torpentouf rief einen feldmarschmäßig ausgerüsteten Soldaten seiner Abwehrtruppe herbei. Der Mann kam näher und nahm Haltung an.
»Sir …?«
»Sergeant, Sie erhalten hiermit den Befehl, den Inhalt Ihres Brotbeutels auf den Boden zu schütten. Alles, was darin ist.«
Der Sergeant runzelte leicht die Stirn, dann kippte er den Beutel um. Allerlei Gegenstände, die ein Soldat im Einsatz bei sich haben mußte, polterten auf den steinigen Boden.
Medikamente mit Fertigspritzen, Zigaretten, hochwertige, in Wasser lösbare Nahrungskonzentrate, einige flache Konserven mit den üblichen Notrationen, drei spezielle Leuchtpatronen, Filtereinsätze für die Nasenlöcher und einige Dinge mehr.
»Und …?« fragte Torpentouf mit einem eigenartigen Lächeln. Er lächelte auch noch, als Reling zurückkam und sich breitbeinig neben uns stellte.
»Testobjekt Roter Adler!« erinnerte Mike. »Sehen Sie denn nichts?«
»Nein, zum Donnerwetter«, fuhr ich ihn gereizt an. Er nickte nur und schaute Reling an.
»Diesen Versuch halte ich für besser als langatmige Unterweisungen, Chef. Er sieht es nicht, obwohl es direkt vor seiner Nase liegt. Hier, diese Kunststoffdose mit gebackenen Bohnen und Schweinefleisch, erste Qualität, drei Jahre haltbar, selbst erwärmend durch eingebauten Brandsatz und so weiter – die kennen Sie doch?«
»Ich habe früher wochenlang Konserven dieser Art gegessen. Auf dem Mond und dem Mars ebenfalls. Was soll das, Mike? Wir können glücklich sein, daß man mit den neuen Dosen endlich ein Material gefunden hat, das sich nach dem Wegwerfen von selbst vernichtet.«
»Sicher, überglücklich!« höhnte Mike. »Alles für den Umweltschutz, nicht wahr? Okay, mein Junge, dann will ich Ihnen mal etwas sagen. Wenn die alte Dame, die Sie vorhin so heiß geküßt haben, nicht der größte Geizhals der Vereinigten Staaten gewesen wäre und wenn sie nicht bereits verfallene Schildkröten suppe aus einer derartigen Selbstvernichtungsdose gegessen hät te, dann wüßten wir heute noch nicht, daß diese wunderschönen Bakterienkulturen nicht nur die Verpackung zerstören, sondern außerdem einen bestimmten Sektor im menschlichen Gehirn! Das hätten wir erst viel zu spät bemerkt.«
»Ich begreife noch immer nicht.«
»Verständlich«, ergriff Reling endlich das Wort. »Die zur Fäulniszerstörung notwendigen Kulturen werden wirksam, auch wenn die Dosen nicht geöffnet sind! Die Wirkstoffe sickern in alles ein, was von diesem Kunststoff umhüllt wird, egal ob es sich um Suppen, Fleisch, Bohnen oder Salatköpfe handelt. Hier läuft ein Langzeitplan zur Unterjochung der Menschheit. Clara Poterlee aß fünf Liter Suppe, die durch den längst eingetretenen Zersetzungsprozeß der Dosen etwa hunderttausendfach stärker
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