Testobjekt Roter Adler
Hinrichtung bewahrt worden. Nach dem Abschluß des Weitsprungwettbewerbes melden wir uns mit den neuesten Nachrichten. World Television bildet eine Sonderredaktion.«
Viel mehr brauchten wir nicht zu hören. Ich sah Reling an, der prüfend zu Marschall Primo Zeglio, dem Chef der EURO-Abwehr, hinüberschaute. Zeglio, der in Uniform erschienen war, sprach bereits in das Mikrophon seines Spezialsenders, der ihn via Satellit mit dem EURO-Hauptquartier in Genf verband. Niemals zuvor hatte ich den schlanken, aristokratisch wirkenden Norditaliener so nervös gesehen. Seine sonst pedantisch gepflegten Haare waren zerwühlt. Die grauen Strähnen wirkten heller als sonst.
Nach einigen Minuten legte er das Funk-Visiphon zur Seite. Fassungslos schaute er sich um. Er war blaß.
»Meine … meine Herren, ich finde keine Erklärung«, sagte er. »Die Lebenserhaltung Dr. Van Haetlins war geplant, aber wieso der Film, der auf Grund unserer Gesetzgebung und nach Wiedereinführung der Todesstrafe angefertigt werden mußte, in die falschen Hände gelangen konnte, ist mir rätselhaft. Die anwesenden Beamten der Pariser Justizbehörde sind zuverlässig, desgleichen der Kameramann. Ich sehe mich gezwungen, bis zur Klärung dieses katastrophalen Versagens mein Amt zur Verfügung zu stellen. Ich bitte um Ihr Verständnis, meine Herren.«
»Ich habe Sie schon immer für einen Ehrenmann gehalten, Primo«, fiel Reling erstaunlich gelassen ein. »Sie haben es nicht nötig, solche Maßnahmen einzuleiten. Der Übeltäter steht vor Ihnen.«
Ich schloß krampfhaft die Augen. Gleichzeitig überfiel mich die Ahnung, daß der Alte wahrscheinlich längst auf die Idee gekommen war, die ich nach Beendigung der Fernsehübertragung äußern wollte.
Arnold G. Reling hatte mich bereits eingeplant! Er wußte viel länger als ich, daß Dr. Van Haetlin meine Figur besaß. Die daraus resultierenden Schlußfolgerungen waren eindeutig. Die Maschinerie der GWA lief sicher auf Hochtouren.
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Zeglio zögernd.
Reling winkte ab; etwas zu lässig, wie mir schien. Allerdings schien er sich bei seinem Auftritt nicht hundertprozentig wohl zu fühlen.
»Die Logikauswertungen des Großrechners PLATO haben mich bewogen, den Film unauffällig und – wie ich Ihnen versichern darf – absolut gekonnt an den Mann zu bringen. Der Wagen, der den Kameramann und dessen Geräte beförderte, wurde ›überfallen‹. Das wird bestimmt in der nächsten Nachrichtensendung bekanntgegeben. Gentlemen – der Weg zum achten Mann führt nur über die bewährte Einsickerungstaktik der GWA. Infolgedessen war es unerläßlich, den Unbekannten davon in Kenntnis zu setzen, daß einige Bulmers-Schüler, Kapazitäten wie er, von der GWA kurz vor der Hinrichtung gerettet wurden. Die Information über die Befreiung der drei anderen Delinquenten durch GWA-Schatten ZBV stammt ebenfalls von mir. Der achte Mann muß und soll wissen, daß diese sieben Personen gewissermaßen frei sind. Die Frage, warum es die GWA für notwendig hielt, sie dem Henker zu entreißen, wird dem Unbekannten erhebliche Kopfschmerzen bereiten.«
Primo Zeglio atmete tief und laut. Ohne ein Wort des Vorwurfs suchte er sich einen Stuhl und nahm Platz.
Reling sprach so gelassen und ausgeglichen wie stets vor entscheidenden Einsätzen.
»Er wird unruhig werden. Er weiß nicht, kann es nicht einmal ahnen, was wir mit den sieben Aufgestockten vorhaben. Unter Umständen fühlt er sich jetzt schon bedroht. Kann er ganz sicher sein, daß im Atlantis-Stützpunkt niemals sein Name erwähnt wurde? Fragt er sich, ob sein Lehrmeister, Professor Bulmers, nicht
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