Testobjekt Roter Adler
wenigstens einen der nach ihm aufgestockten Wissenschaftler über ihn informierte? Der große Unbekannte ist intelligent. Aber gerade diese enorm hohe I-Stufe wird ihn zu einer intensiven Selbstbefragung zwingen und sogar herausfordern. Mehr will ich nicht erreichen. Ich will ihn seelisch durchmassieren, um damit dem fähigsten GWA-Schatten einen guten und einigermaßen zuverlässig erscheinenden Ansatzpunkt zu bieten. Mehr können wir bei unserer Unwissenheit nicht tun. Der große Bluff hat begonnen. Das Psychospiel läuft. Wer die besten Karten hat, wird sich erweisen. Jedenfalls ist die Errettung der sieben Todeskandidaten durch die GWA eine Tatsache, die einen derart vorsichtigen und alles vorausberechnenden Mann wie Nummer acht verunsichern wird. Die Befreiung ist, obwohl zuerst geschehen, dennoch als sekundär einzustufen.«
»Und der primäre Faktor?« erkundigte sich der großasiatische Geheimdienstchef, Fo-Tieng, mit erstaunlicher Gelassenheit.
»Der ist schwieriger zu handhaben«, erklärte Reling. »Ich muß um Ihre Hilfe bitten. Wenn einer unserer ZBV-Schatten in der Maske eines der Delinquenten eingesetzt werden soll, muß für die betreffende Person vorher eine hieb- und stichfeste Flucht geplant und mit unwiderlegbarer Logik durchgeführt werden. Ein Mann mit einem Intelligenzquotienten von über fünfzig Neu-Orbton würde ein dilettantisches Spiel sofort durchschauen. Das muß gekonnt und unter Einsatz aller Mittel gemacht werden.«
»An welchen der sieben Wissenschaftler denken Sie?« erkundigte sich Gregor Iwanowitsch Gorsskij, Chef des sowjetischen Geheimdienstes.
»An Dr. Janus Van Haetlin. Deshalb wurde auch der Bildbericht über seine bevorstehende Hinrichtung preisgegeben. Van Haetlin besitzt die stattliche Körperlänge des ZBV-Schattens, den Sie hier an meiner Seite sehen.«
Alle Blicke richteten sich auf mich. Hannibal zeigte ein gefroren wirkendes Grinsen. Ich war überzeugt, daß er in Relings Gedankeninhalt herumgeschnüffelt hatte.
»Brigadegeneral HC-9«, stellte Reling vor. »Sie kennen meinen besten Mitarbeiter.«
Gorsskij maß mich mit einem düsteren Blick. Er schielte über seine randlose, altmodische Brille.
»Habe ich Ihnen nicht vor etwa zwei Jahren mal gesagt, Monstren Ihrer Art würde ich auf der Stelle erschießen lassen?« erkundigte er sich. »Der GWA-Chef scheint meinen Rat nicht beherzigt zu haben.«
Ich wußte, daß er keine Haßgefühle gegen mich hegte, aber er fürchtete mich. Ich schaute ihn gelassen an und sagte betont ru hig:
»Gorsskij, selbst wenn Sie die Macht gehabt hätten, mich erschießen zu lassen, wie Sie sich ausdrücken – Sie wären nicht mehr zum Aussprechen des Befehls gekommen. Ich wäre Ihnen nämlich eine Zehntelsekunde zuvorgekommen. Ist Ihnen das klar?«
Unsere Blicke kreuzten sich wie Degenklingen. Dann nickte er. Er war aufrichtig gegen sich selbst.
»Ja, es ist mir klar. Deshalb nenne ich Sie ja auch Monstrum.«
»Ich bin kein Ungeheuer, Gorsskij. Sie verkennen wissenschaftliche Tatsachen; sie verwechseln Naturgegebenes mit angezüchteten Faktoren. Ich bin lediglich das, was Ihr Urahn vor über fünfzigtausend Jahren mit großer Sicherheit auch einmal war – nämlich parapsychisch begabt. Das trifft auch für meinen Freund und Kollegen, Major MA-23, zu.«
»Ihr Burschen habt mir in der harten Zeit schwer zu schaffen gemacht.«
»Sicher«, fiel Hannibal süffisant ein. »Ich erinnere mich an Ih ren Vertragsbruch mit den westlich orientierten Mächten. Darf ich Ihnen berichten, daß ich es war, der Ihr geheimes Atomwerk in Nordostsibirien in die Luft blies? Dort
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