Testobjekt Roter Adler
gekommen.
Die Frage, ob der achte Mann darüber informiert war, konnte er nicht beantworten. Also stand mir zusätzlich eine Operation bevor, bei der meine linke Niere entfernt werden sollte. Man hatte mir zugesichert, sie sorgsam aufzubewahren. Die Wiedereinpflanzung war für die Chirurgen des Jahres 2010 völlig problemlos, aber ich wurde nervös, wenn ich daran dachte, unter Umständen monatelang mit nur einer Niere existieren zu müssen.
Von all diesen Dingen hatte Dr. Janus Van Haetlin keine Ahnung. Er wußte auch nicht, daß in den Speziallabors der GWA bereits eine aus Biosynth-Gewebe bestehende Maske heranreifte. Jede einzelne Zelle war programmiert. Das Grundgewebe hatten wir Van Haetlin bei den zahlreichen medizinischen Untersuchungen, die er sich nicht erklären konnte, unauffällig entnommen.
Unsere Biochemiker hatten von allen möglichen Hautgeweben seines Gesichtes Zuchtmuster benötigt, desgleichen Wurzelsysteme seiner Haare und Augenbrauen.
Vor einigen Jahren hatte ich bei Einsätzen der vorgesehenen Art schwerwiegende operative Eingriffe über mich ergehen lassen müssen. Diese Veränderungen waren zwar nachträglich wieder korrigiert worden, aber ich konnte die Laserskalpelle der Chirurgen nicht mehr sehen.
Das war nun vorbei. Wir konnten das Gesicht eines jeden beliebigen Menschen so naturgetreu nachbilden, daß auch die Zellstrahlungswerte stimmten. Ich brauchte die Folie nur noch über den Kopf zu streifen und sie, da sie biologisch lebte, mit meinem Körperkreislauf verbinden zu lassen.
Das war also nicht problematisch, es sei denn, der damit verbundene Zeitverlust würde zu einer Katastrophe führen. Die AFC lieferte täglich einige hunderttausend Tonnen Verpackungsmaterial in alle Welt. Der kritische Zeitpunkt konnte unter Umständen schneller eintreten als wir glaubten. Vielleicht war er bereits überschritten und der im Hintergrund lauernde achte Mann brauchte nur noch auf den symbolischen »Knopf« zu drücken, um einige Milliarden Menschen, darunter fast alle Streitkräfte, zu robotgesteuerten Befehlsempfängern zu machen.
Wir hatten keine Zeit mehr! Wir mußten handeln; schneller handeln, als es uns lieb war.
Mir blieben noch zwei Stunden bis zur Operation. Unsere Chirurgen bemühten sich inzwischen, an Hand von exakten Bauchdecken- und Rückenaufnahmen eine Schnittführung auszuarbeiten, die genau der Operation Dr. Van Haetlins entsprach. Es konnte sein, daß irgend jemand die schmale Narbe gesehen hatte. Da jeder Chirurg seine bestimmte »Handschrift« hatte, mußte in meinem Falle streng auf das Original geachtet werden.
Wir saßen uns in einem luxuriös ausgestatteten Raum gegenüber. Van Haetlin wußte, daß ich niemals bewaffnet zu ihm kam. Um ihm zu beweisen, daß ich ihm trotz seiner prächtigen Muskulatur und des Kraftsports, den er jahrelang betrieben hatte, überlegen war, hatte ich ihn vor der ersten Sitzung aufgefordert, mich anzugreifen.
Er war dreimal zu Boden gegangen. Von da an waren die Verhältnisse klar gewesen.
Er rauchte nervös. Seine Ruhe war nur vorgetäuscht. In seinem tiefsten Innern stand er Todesängste durch. Die Szene im Hinrichtungsraum hatte sich unauslöschlich in sein Bewußtsein eingegraben.
Stündlich wartete er auf die Nachricht, daß die Hinrichtung nun doch durchgeführt werden sollte. Wenn ich das Zimmer betrat, hatte ich den Eindruck, in die Augen eines gehetzten Tieres zu blicken, nicht aber in die eines beherrschten Mannes.
Wenn ich mich setzte, meine Akten und Bandaufzeichner zurechtlegte, wurde er etwas ruhiger. Dann
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